16. April 2022 - Fast mein gesamtes Erwachsenenleben verbrachte ich auf Segelbooten. 1989 zogen Wolf und ich auf die 31 Fuß kleine, stählerne Susi Q
und umsegelten mit ihr in acht Jahren die Welt. 2000 wechselten wir auf Nomad, eine 41 Fuß Aluminiumyacht, drehten nochmals eine Runde um den Globus und starteten 2012 zu unserer dritten großen Reise. Und ehe ich mich versah, waren 33 Jahre vergangen! 33 Jahre! Allein diese Zahl kann eine Krise auslösen. Wenn du jung bist, denkst du, du hast alle Zeit der Welt, doch dann wachst du mit 55 plötzlich auf und merkst, wie der Raum der Möglichkeiten immer enger wird – die Welt liegt dir nicht mehr zu Füßen.
Bestimmte Geburtstage zwingen einen zum Bilanzieren. Am 18. April werde ich 55 Jahre alt und schon allein der Gedanke daran überfordert mich. Mir wird sehr deutlich bewusst, dass das Leben doch recht flüchtig ist. Bis vor kurzem dachte ich, dass unser Dasein - wenn auch nicht ewig - so doch ganz schön lange dauert. Von einem Moment auf den anderen baut sich die Erkenntnis der eigenen Endlichkeit wie eine Monsterwelle vor mir auf. Ich habe die letzten Tage viel geschrieben, Buchstaben und Wörter aneinandergereiht und dem Brummen des Kühlschranks zugehört. Eine selbst gewählte Isolation mit viel Zeit zum Reflektieren. Ab und zu ist es gut und wichtig, mal einen Schritt zurückzutreten, zu sehen, wo man herkommt, wo man hingeht und annehmen, was da ist. Ehrlich gesagt habe ich mich mein Leben lang selten umgedreht, um zurückzuschauen. Ich bin immer nur weiter gelaufen, weiter gesegelt. Insgeheim weiß ich, dass die Essenz eines Lebens nicht in den Bildern liegt, die seinen Verlauf abbilden, sondern in dem, was nicht zu sehen ist. Das beschwingt mich, macht mich zufrieden und gelassen. Und ich freue mich auf die Zukunft, auf die Jahre, die noch vor mir liegen mit meinem Kapitän. Meinem Ehemann, der mir den Rücken stärkt und mir auch in schwierigen Zeiten zur Seite steht. Der mir auf Augenhöhe begegnet und oft besser weiß als ich, wie ich mich gerade fühle. Wir kennen einander so gut, dass wir oft gar keine Worte brauchen. Jemand hat einmal gesagt, es sei leichter, gemeinsam Katastrophen zu überstehen, als die gefährlichen Klippen des Alltags zu umschiffen. Tja, nach 33 Jahren Beziehung sind wir wahrlich zusammengewachsen, zwei Körper, eine Seele. Danke, mein Herz, dass du mich immer wieder daran erinnerst, dass das Leben ein Geschenk ist.
Bild ganz oben: Auf unserer 1. Weltumsegelung im Mopelia-Atoll, Franz. Polynesien, 1995 / Langfahrttraum in Türkis, Tuamotus, Franz. Polynesien, 2021