2. Seekrank

Es war mein erster Kontakt mit einem Segelboot. Als ich vom Steg auf das schon im Hafen schwankende Deck hinunterstieg und in die kleine, enge Kajüte blickte, war ich nicht wenig erstaunt.

5 m² Wohnfläche offenbarten sich mir: eine Pantry (Küche an Bord) ohne Kühlschrank, in der man nur eingezwängt stehen konnte, unter der Spüle eine Fußpumpe für „fließend, kaltes Wasser“, gegenüber ein kleiner Kartentisch mit verwirrenden nautischen Instrumenten. In Schiffsmitte der Salon mit zwei Sitzbänken und aufklappbarem Tisch. An den Wänden so genannte Schapps – Stauräume im Schuhschachtelformat. Ich öffnete die Tür zum Vorschiff und stand vor einem Miniwaschbecken in der Größe einer Salatschüssel, daneben eine Toilette mit kompliziert aussehenden Hebeln. Die dunkle Nische hinter dem Pump-WC wurde mir als unser Schlafgemach präsentiert. „Wo ist die Dusche“, fragte ich ziemlich kleinlaut meinen Kapitän. Der hielt mir lachend einen schwarz-silbrigen Plastiksack vor die Nase, auf dem in großen Buchstaben „Solarshower“ zu lesen stand. Im Cockpit und an Deck erklärte mir Wolfgang die unheimlichen Funktionen von sämtlichen Leinen, Drahtseilen und Segeln. Mit vollem Kopf und einem flauen Gefühl zwängte ich mich am ersten Abend erschöpft in die enge Koje. Noch lange lauschte ich den für mich fremden Geräuschen des Hafens und der Schiffe, doch langsam siegte mein Optimismus und mit dem Bewusstsein, dass meine Entscheidung, hierher zu kommen, richtig war, schlief ich endlich ein. Es folgten einige Übungsfahrten vor der Küste, bei denen ich die Grundbegriffe des Segelns erlernte, bevor wir zum ersten größeren Törn nach Madeira aufbrachen.

Es gab Tage auf dem Atlantik, an denen die Sonne aufgebrachte Wassermassen beleuchtete und weiße Brecher zu Schaumstreifen auseinander geblasen wurden. Tage, an denen sich unsere Susi Q in gewaltigen Wellenbergen wälzte, während ein felsenharter Wind in unsere gerefften Segel fegte. An solchen Tagen saß Wolfgang mit eingehängter Sicherheitsleine alleine im Cockpit, während ich am Kajütfußboden lag und mir die Seele aus dem Leib kotzte. Wolfgang hatte mich schon vorgewarnt, dass 90 Prozent aller Menschen seekrank werden, er gehört zu dem glücklichen Rest jener, die dieses Übel nicht kennen.

Seekrank in der Koje