Post-Sailing-Blues

25. Oktober 2017 - In der Arktis fühlte sich jeder Tag wie ein neues Abenteuer an. Die Nordwestpassage war Aufregung und Nervenkitzel pur.

Doch seit wir in Seward festgemacht haben, stellt sich der bekannte Post-Sailing-Blues ein, das Loch zwischen Bordalltag und ständigem Unterwegssein, das Ende einer fantastischen Reise. Schnell schlägt uns der Geschmack von Bootsrenovierung und fälligen Wartungsarbeiten ins Gesicht. Die Kälte, das Eis, die Arktis haben ihren Tribut gefordert: Unsere Nomad sieht mitgenommen aus. Die höflichen Amerikaner versichern zwar immer wieder, dass wir "a really nice boat" besitzen, und ich antworte darauf meist scherzend: "From a distance our old lady still looks good!"

Unsere 29 Jahre alte Ovni ist weit entfernt vom eierlegenden Wollmilchschiff, doch das größte Manko in den hohen Breiten stellt die nicht vorhandene Isolierung dar. Alles nass, Nomads Kajüte gleicht einer Tropfsteinhöhle. Kondenswasser sammelt sich in Stauräumen, in der Bilge, rinnt an den Wänden herunter. Ständige Feuchtigkeit verursacht Schimmel. Ein Kampf gegen Windmühlen. Um Nomad "trocken zu legen", besorgen wir einen Heizstrahler, den wir 24/7 laufen lassen. Wir sind Stammgäste in der Münzwäscherei, denn alles - von den Socken bis zu den Schlafsäcken - wird gewaschen und getrocknet! Wir putzen mit Essigwasser das halbe Boot, sortieren aus, schlichten um, machen sauber. Wir verbringen die Tage inmitten von Segelsäcken, Werkzeug, Rettungswesten. Im Salon stapeln sich Matratzen, Polster, Leinen, gesammeltes Treibholz, Muscheln. Seekarten, Hafenpläne, Bücher, Gorilla-Bands stapeln sich am Kartentisch, während im Cockpit Putzeimer mit Bürsten stehen.

Auch am Rumpf sieht man Nomad die weite Reise an. Unzählige Kratzer vom Bugsieren durchs Eis zieren die Wasserlinie. Backbordseitig haben wir seit King Cove eine neue Delle im Alu, weil uns David, der nette Fischer, mit seinem 20 Tonnen Kahn beim Anlegemanöver rammte. Gut, es kachelte mit über 35 Knoten! Und seit sich unser Bügelanker in der Rode Bay in Grönland in einem Wrack verfing, und wir beim Ankerauf-Manöver die halbe Reling des alten Schiffes mit hinaufzerrten, hat unser Bug ebenfalls neue Schrammen abbekommen. Die Energie, die wir Tag für Tag in die Arbeitsprojekte pumpen, ist so unermesslich, dass ich manchmal nicht weiß, woher wir sie am Reiseende nehmen sollen. Aber all das Jammern hilft nichts, wir wollen nächstes Jahr unsere Reise fortsetzen und dafür bringen wir Nomad gerne wieder in Schuss. Auf zu neuen Abenteuern!

Ich schließe diesen Reisblog hiermit bis ins Frühjahr 2018. Aktuelles, Neuigkeiten und was wir so tun in der Heimat steht demnächst im Kapitel NEWS. Danke fürs Lesen und fürs Mitdabeisein!

Nomad wird aus ihrem Element gehoben – Seward, Alaska