Getting in shape

4. Mai 2018 - Wolf kramt die Schachtel mit den Bohrern hervor. Er nimmt Augenmaß, wählt einen Bohrer aus,

steckt ihn in die Maschine, kontrolliert, ob er korrekt sitzt, indem er vorsichtig andreht. Schüttelt den Kopf, entscheidet, dass es nicht der richtige ist, wechselt den Bohrer noch einmal. Dann steigt er von der Kajüte ins Cockpit, geht übers Deck mit der Bohrmaschine in der Hand, als wäre sie ein schwerer Revolver und bohrt die Nieten auf, die den Lümmelbeschlag am Mast halten. In der Dreherei gleich neben der Bootswerft lassen wir neue Buchsen für den ausgeleierten Beschlag anfertigen.

Von sieben Tagen die Woche regnet oder schneit es sechs Tage. Das nervt und macht Wartungsarbeiten am Boot extrem schwierig. Unweigerlich grübelt man, wann man das letzte Mal die Sonne erblickte, wann einen zuletzt Wärme umschmeichelte. In Alaska schenkt einem die Natur nur kurze Freuden. So wie gestern - der Regen stoppte, die Wolkendecke brach auf und verschneite Berggipfel kamen zum Vorschein. Einen langen Moment dachten wir daran, mit den Tourenschi den Mount Marathon zu besteigen, doch dann siegte die Vernunft, und wir entschieden uns fürs Streichen des Unterwasserschiffes. Zum Glück. Heute schüttet es bereits wieder, laut Vorhersage ist weit und breit keine Wetterbesserung in Sicht.

Nomad hat den Winterschlaf in Seward gut überstanden. Unser prüfender Blick sieht natürlich etliche Dinge, die zu erledigen sind. Sie alle besitzen hohe Priorität, schließlich soll uns Nomad bald wieder übers Meer tragen. Seit fast zwei Jahrzehnten ist sie unser Reisevehikel und schwimmendes Zuhause. Und so tun wir alles, um unser Boot in Schuss zu halten. Unsere Welt dreht sich plötzlich wieder um Schlauchschellen, Splinten, Nieten, Schrauben, Bolzen, Wasserfilter, Motoröl, Leinen, Werkzeug, ... Was ich völlig vergessen habe in den letzten Monaten vorm Computer ist die Tatsache, dass man am besten Limbotänzerin sein sollte, um geschmeidig in die hintersten Stauräume unseres Bootes zu gelangen. Oder dass ich völlig verdreht am Kajütboden liegen muss, um die Motorbilge zu reinigen. Und dass ich ziemlich unfit bin. Jede einzelne Zelle meines muskelverkaterten Körpers bestätigt diese Erkenntnis: Das Schleifen und Antifoulingstreichen in vorwiegend hockender und kniender Position werde ich noch eine ganze Weile spüren! Aber so kommen wir langsam wieder in Form: Nomad und Crew!

 Nomad in Raibow´s Boatyard, Seward, Alaska