Der unsichtbare Feind

22. März 2020 - Unglaublich, aber wahr. Das Coronavirus hat auf seiner Reise von der chinesischen Stadt Wuhan raus in die weite Welt auch die Südsee erreicht.

Mit dem Flugzeug ist es hergekommen, eh klar. Unsere Mobilität ist unser Ruin. Je vernetzter die Länder und Gesellschaften, desto höher die Chance für Erreger, sich möglichst schnell und weit auszubreiten. Hier auf den abgelegenen Marquesas Inseln, wo sich kleine Dörfer unter Palmen ducken, wo die Menschen sich Hibiskusblüten ins Haar stecken und Mangos von den Bäumen pflücken, kann man mit dieser Art von Bedrohung nur schwer umgehen. Die Polynesier fürchten sich, negative Emotionen verbreiten sich wie ein Lauffeuer. So mancher trägt eine Gesichtsmaske, auch wenn er alleine in seinem Motorboot fährt oder einsam auf der Straße radelt. Mit jeder Nachricht über die nächste bestätigte Infektion in Tahiti verstärkt sich das Gefühl einer bevorstehenden Katastrophe. Jeder fragt sich: Wann wird das Virus zu den Marquesas kommen? Die Angst vor dem Virus hat das Tempo des Virus angenommen. Sie ist jetzt auch globalisiert.

COVIT-19, der unsichtbare Feind. Seit gestern leben wir im Hafen von Atuona auf der Insel Hiva Oa in Quarantäne. Ausgangssperre für die ca. 30 vor Anker liegenden Yachten und die paar Crews, die ihre Boote in der Werft stehen haben. 15 Tage lang dürfen wir nicht an Land, wir dürfen auch nicht mit dem Dingi fahren oder andere Boote besuchen. Weitersegeln ist ebenfalls verboten. Wüssten derzeit aber auch nicht wohin, denn alle Häfen, alle Länder rund um uns haben ihre Grenzen dicht gemacht. Es fühlt sich manchmal so an, als wären wir auf einer langen Überfahrt, doch der frappante Unterschied ist, dass sich unser schwimmendes Zuhause nicht bewegt, wir spulen keine Meilen ab! Stattdessen vollkommener Stillstand. Gefangen auf sieben Quadratmetern Lebensraum.

WhatsApps und E-Mails erzählen uns von der Welt draußen, von der Entschleunigung des Lebens, von der vielen Zeit, die plötzlich jeder zur Verfügung hat, aber auch von der Spirale der Angst. Die Segler in Atuona haben eine eigene WhatsApp Gruppe ins Leben gerufen, ebenso eine morgendliche Funkrunde auf UKW 72. Es tut gut sich auszutauschen, wenn man isoliert ist. Jede neue Info wird verkündet, beurteilt, besprochen. Bestimmungen in Französisch Polynesien ändern sich täglich. Einmal heißt es, wir müssen alle nach Tahiti und von dort ausfliegen, ein paar Stunden später wiederum, sollen wir uns ja nicht vom Fleck rühren. Unsicherheit auf allen Ecken und Enden, keiner weiß, wie es weitergeht. Ein Gefühl, das unsere Generation bis jetzt nicht kannte. Wie überall auf der ganzen Welt hoffen auch wir, dass diese Krise bald ein Ende findet, das wir alle unser Leben wieder aufnehmen können, obwohl wir jetzt schon wissen, dass es nie wieder so sein wird wie es einmal war.

Partir est une fête, rester serait la mort. L´homme est un nomade! – Jacques Brel, belgischer Chansonier, der hier in Atuona begraben ist.