Kursänderung

20. April 2020 - Unter der marquesanischen Sonne herrscht Unruhe. Nach 31 Tagen Quarantäne sind wir an einem Punkt angelangt,

an dem wir einen neuen Weg einschlagen wollen. Wenn wir nichts tun, besteht die Gefahr, dass wir im Hafen von Atuona Wurzeln schlagen. Obwohl seit heute dürfen wir uns auf der Insel wieder frei bewegen, wir dürfen an Land wann immer wir wollen und so lange wir wollen. Ausgangssperre nur von 20:00 Uhr bis 05:00 Uhr. Wir dürfen sogar wieder andere Boote besuchen, wir dürfen im Dorf einkaufen, wir dürfen wandern und herumspazieren. Nur eines dürfen wir immer noch nicht: zu einem anderen Ankerplatz oder gar zur Nachbarinsel segeln. Zum ersten Mal seit einem Monat gingen wir heute in den Ort, besuchten Paul Gaugin und Jacques Brel am Friedhof von Atuona und versuchten in jene Wirklichkeit zurückzufinden, die vor dem Bootsarrest alltäglich war.

Dennoch haben wir vor kurzem eine schwierige Entscheidung getroffen: Da bis auf weiteres alle südpazifischen Inselstaaten Sperrgebiet sind, verlassen wir Französisch Polynesien und segeln retour nach Vancouver Island, wo letzten Sommer unsere Reise in den Süden begann. Zwar sind Kanadas Pforten geschlossen, aber da Wolfis Tochter Stefanie dort lebt und verheiratet ist, dürfen wir ins Land einreisen. Planen einen Zwischenstopp in Hawaii, um Wasser, Diesel und Proviant aufzustocken. Zum Glück sind die Häfen in der USA immer noch offen. Die gut 4.500 Seemeilen lange Strecke wird kein Spaziergang werden, dieser Weg wird sicher kein leichter sein. Zweifel verfolgen mich vor allem nachts, dann liege ich wach und fürchte, dass wir vielleicht einen voreiligen Schritt unternehmen. Meine Gedanken kreisen in einer Umlaufbahn um uns selbst. Erst in der Rückschau werde ich wissen, ob es richtig oder falsch war, die Stellung hier aufzugeben. Aber aus heutiger Sicht, ist Kanada eine gute Möglichkeit, Nomad für längere Zeit sicher an Land abzustellen. Wer weiß, wann wir wieder „normal“ reisen können?

Eins ist klar: Es gibt keine Wirklichkeit ohne Konflikte. Das Leben wartet nicht, wir werden unablässig vor schwierige Anforderungen gestellt und müssen neue Einsichten suchen. Komme mir vor wie auf einem Schiff, das ich durch enge Fahrwasser navigieren muss, deren Untiefen ich aber nicht kenne. Auch im Unsichtbaren finden sich Bedrohungen für unser Dasein, für unsere Zukunft. Ich wünsche mir, dass auf der Welt bald vieles wieder gut wird. Doch meine Hoffnung ist zerbrechlich, ich wage noch nicht, ihr zu trauen.

Insel Hiva Oa, Hafen von Atuona, 31. Tag der Quarantäne