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07. März 2021 – Nach fünf Wochen Austral Inseln segeln wir zurück in die Zivilisation, nach Tahiti.

Wir ankern, wie unzählige andere Boote, in der Nähe der Marina Taina, und die kommenden Tage gehören zu jenen, die von Bootsalltag und Kleinkram aufgefressen werden. Wir tanken Diesel und Benzin, lassen unsere sieben Kilo Gasflasche nachfüllen, waschen Wäsche, bunkern Wasser, shoppen im Carrefour Supermarkt, durchforsten alle nautischen Zubehörgeschäfte von Papeete, die in Pandemiezeiten leider nur spärlich bestückt sind, gönnen uns Pizza mit Segelfreunden im Casa Bianca und zu unserer großen Freude schafft es Mike von der SY „Alila“, unseren alten Kühlschrank wieder zum Leben zu erwecken. Halleluja.

Jetzt sind wir tatsächlich seit einem Jahr in Französisch Polynesien. Ein Jahr, in dem ein Virus Alltägliches unvorstellbar und Unvorstellbares alltäglich werden ließ. Ich wundere mich nicht mehr, dass wir immer noch hier sind, sondern eher, wie die Zeit so schnell vergehen konnte. Wer aber flüstert uns das Losungswort ins Ohr? Wer enthüllt uns den Sinn? Und wie finden wir unsere Richtung im Leben wieder, die nicht nur Himmelsrichtung oder Kompasskurs ist? Wohlwissend, dass wir die verborgenen Strömungen des Lebens niemals ganz verstehen werden und das man manchmal gewisse Fragen auf sich beruhen lassen muss, weil es auf sie keine Antworten gibt.

Der Passat legt eine Pause ein, und wir ergreifen die Gelegenheit bei leichten nordwestlichen Winden nach Osten zu segeln, zurück zu den Tuamotus. Bereits zwei Tage nach unserer Abfahrt von Tahiti motoren wir durch den Passe Garuae, den Nordpass des Fakarava Atolls und ankern mit 30 anderen Yachten vorm Dorf Rotoava. Schauen bei Aldrigue und Stephanie vorbei, die beiden betreiben Fakarava Yacht Service, die Anlaufstelle für Segler. Gerne sitzen wir auf ihrer Terrasse, trinken Espresso und nutzen ihr Wifi. Stephanie erzählt, dass sie gerade von einer Urlaubswoche in Rangiroa heimgekommen sind. Leider wurde während ihrer Abwesenheit in ihr Haus eingebrochen und alle Vini-Telefonkarten und Travelcards gestohlen. Hätte mir nie gedacht, dass so etwas im Paradies passiert.

Verholen uns in die Südostecke des Atolls nach Hirifa und können es kaum glauben, dass wir an diesem sonst so beliebten Ankerplatz ganz alleine sind. Fantastisch! Ein bisschen wehmütig erinnere ich mich daran, als wir zum ersten Mal vor 26! Jahren mit unserer kleinen Susi Q hier auflandig ankerten und ein Trog mit starkem Nordwest-Wind über uns zog. An diesen Ort war ich also in einer anderen Zeit und als ein anderer Mensch, denke ich mir.

Am nächsten Morgen kommt die SY Mikado angerauscht. Wir freuen uns über Georg und Nicole, die wir im Mai letzten Jahres in Nuku Hiva kennenlernten. Damals kamen sie voller Tatendrang von den Galapagos Inseln nach Französisch Polynesien, den Kopf voller Reisepläne. Sie wollten nach Chile, ums Kap Hoorn und retour nach Europa. Heute schaut die Welt anders aus. Die beiden lassen ihr Schiff in Französisch Polynesien stehen. „Nur hier im Kreis fahren, macht keinen Sinn für uns, denn nach Westen geht es dieses Jahr sowieso nicht weiter“, meint Georg. „Da fliegen wir lieber heim, arbeiten und kommen wieder, wenn sich die Pandemie-Situation entspannt hat.“ Ja, der harte „Durchhalte-Kern“ wird eindeutig kleiner, die Front bröckelt langsam ab. Einige Segler haben ihr Schiff bereits verkauft oder wollen es verkaufen. Andere haben einen der wenigen Marina- oder Werftplätze ergattert oder ihr Boot einfach vor Anker gelassen und sind retour in die Heimat geflogen.

Und wir? Viele Optionen haben wir nicht. Fidji? Nein danke! Fünf Hurrikans fegten in dieser Saison bereits über die Inseln. Als einzige Alternativen bleiben USA und Mexiko, deren Grenzen bis jetzt für Segler offen sind. Auch dann weiterzumachen, wenn es eigentlich einfacher wäre aufzuhören, ist eine schwierige Entscheidung und ein mühsamer Weg. Aber ich glaube, es ist halt unser Weg. Uns zieht es in den Norden. Wollen zurück zu den Marquesas und von dort über Hawaii nach Alaska. Aber schauen wir mal, wie alles kommt.