Lazy Bones

12. Juni 2021 - „Plötzlich ist es da, das Alter! Du stehst vor dem Spiegel und fragst dich insgeheim: Wann zum Teufel hat das angefangen? Du wirst es erleben, meine Liebe, vielleicht schon bald“, meint Gayle.

Sie ist siebzig, blond gefärbt, klein und zerbrechlich, trägt ein gut geschnittenes Kleid und grinst, als wüsste sie wovon sie spricht. Unseren langjährigen Segelfreunden Gayle und Jeff haben wir es zu verdanken, dass wir für zwei Wochen als „temporary members“ im schicken Kaneohe Yacht Club aufgenommen werden. Das bedeutet: Wir liegen mit Nomad an einer Mooringboje, dürfen die Duschen benützen, im Pool schwimmen, einen Sundowner an der Bar genießen und last but not least: unser Beiboot am Dinghy-Dock vertäuen. Endlich kommen wir ohne Probleme an Land, denn die verbauten Ufer der Kaneohe Bay sind bis auf wenige Ausnahmen in Privatbesitz.

Jeff und Gayle wirken abgekämpft und erschöpft. Die beiden kamen erst vor wenigen Tagen mit ihrer Segelyacht Lazy Bones in Oahu an. „Ein Horrortrip, so eine Fahrt möchten wir nie mehr erleben!“ bekennt Jeff. Wegen der Covid-Reisebeschränkungen konnten sie lange Zeit nicht zu ihrem Schiff fliegen, das in Tahiti wartete. „Die zweijährige Segelpause hat uns die Verbundenheit zum Boot und zum Ozean genommen“, meint er nachdenklich. „Das Wetter in der Konvergenzzone war schrecklich, die Wellen viel zu hoch“, klagt Gayle. Schon nach einer Woche auf See zerriss die Genua. Zwei Tage später fetzte es den Püttingbeschlag des inneren Vorstags aus dem Deck, und damit war die Fock ebenfalls unbrauchbar. Die beiden sahen keine andere Möglichkeit, als die restliche Strecke unter Großsegel und Motor zurückzulegen. Durch den rauen Seegang flog Gayle quer Salon, schlug mit dem Hinterkopf auf die Tischkante, erlitt Hämatome und eine Gehirnerschütterung. Jeff kontaktierte sofort die Küstenwache und einen Arzt über Funk und Satellitentelefon. Man beschloss, dass es sicherer für Gayle sei, am Schiff zu bleiben als abgeborgen zu werden. Die letzten 200 Seemeilen wurde Lazy Bones von einem Coastguard Schiff eskortiert. „Nach dieser Fahrt fällt es uns nicht so schwer, Lazy Bones zu verkaufen“, meint Jeff bekümmert.

„Als ich Mitte 50 war, wollte ich noch mal neu anfangen“, erzählt Gayle, „aus Lust am Abenteuer. In San Diego lernte ich Jeff kennen, zog mit ihm auf Lazy Bones und 14 Jahre um die Welt. Wir waren beide vom Leben am Boot verzaubert. Aber das Altwerden ist eine Misere, es schlägt heimtückisch zu. Nämlich dann, wenn du nicht damit rechnest.“ Sie führt mich durch ihr viergeschossiges Hanghaus mit traumhaftem Blick auf die Kaneohe Bay, mit tropischem Garten, weißem Plüschteppich und einer Bambus-Tikibar. „Mit dem Reisen ist es jetzt vorbei. Wir sind angekommen“, meint sie lächelnd, dennoch höre ich die Wehmut, die in ihren Worten mitschwingt.

 

Infos Kaneohe Bay, Insel Oahu:

Die sieben Seemeilen lange Bucht an der Nordostküste von Oahu wird durch ein Saumriff geschützt. Die Einfahrt sowie das Fahrwasser durch die Lagune sind gut betonnt. Es gibt einige Möglichkeiten zu ankern, wie in Hawaii üblich gilt die 72 Stunden Regel. Soll heißen: nach drei Tagen muss man Ankerplatz wechseln.

Unsere Ankerposition vor dem Heeia Fishpond:

21°26,482´Nord + 157°48,310´West, 10 Meter Wassertiefe, gut haltender Schlammgrund, das Dingi ließen wir im kleinen Heeia Kea Small Boat Harbor.

Beim Kaneohe Yacht Club in der Südostecke der Bucht durften wir zehn Tage vor Mooringboje bleiben, man kann aber auch ankern:

Ankerposition: 21°25,202´Nord + 157°46,210´West, acht Meter Wassertiefe, am besten im Club-Office fragen, ob man ein paar Tage bleiben darf, manchmal wird eine Gebühr von 25 U$ p.T. verlangt.

Die Kaneohe Bucht ist landschaftlich sehr reizvoll, leider sind die Ufer arg verbaut, man kommt schwer mit dem Beiboot an Land. Busse fahren sowohl vom Heeia Kea Small Boat Harbor als auch vom Yacht Club jede halbe Stunde zum nächsten Einkaufszentrum und nach Honolulu.