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5. Hinterhöfe der Südsee

veröffentlicht am: 01. Mai 2017 | Doris Renoldner

Weiter weg geht nicht, zwangsläufig befanden wir uns also von nun an auf dem Heimweg. Ein Gedanke, der uns gar nicht gefiel.

So schenkten wir uns ein weiteres Jahr in der Südsee. Aber nicht im erschlosseneren Teil zwischen Tahiti und Fidji, sondern quasi in der Wildnis, Lichtjahre vom Lifestyle Bora Boras entfernt. Im Juli 2007 setzten wir Segel Richtung Melanesien und Mikronesien, eine Kette von Archipelen im Westpazifik. Tikopia, Nanumea, Ailuk, Nukuoro, Kapingamarangi, Kitava – klingende, kaum bekannte Namen in einem ozeanischen Kosmos, weit abseits gängiger Fahrtenseglerrouten. Was in den Monaten darauf folgte, war erwartungsgemäß kein gemütlicher Urlaubstörn.

Tagelang mühte sich Nomad hart am Wind durch Konvergenzzonen und stürmischen Passat, an Land lauerten Myriaden von Moskitos und Fliegen auf. Jeder kleine Schnitt wucherte zum Tropengeschwür, in brütender Hitze geriet jegliche Aktivität zu ungeheurer Anstrengung. Wir trafen auf Kulturen fern der Neuzeit, archaisch, voller Tabus und rätselhafter Rituale. Manchmal fühlten wir uns wie Außerirdische. In Tikopia robbten wir auf allen Vieren in die Hütte des Häuptlings und krochen nach gewährter Audienz rückwärts wieder hinaus. Dem Chief das Hinterteil zu zeigen, wäre ein grober Fauxpas gewesen. In den Marshall Inseln durfte ich nur lange Sackkleider tragen, denn weibliche Knie und Oberschenkel sind einzig und alleine dazu da, den Männern den Kopf zu verdrehen. Außerdem kein Landgang mit nassen Haaren, das würde auf soeben ausgeübten Sex schließen lassen. In Kitava verschenkten die Menschen ihre gesamte Yams-Ernte, um ihrerseits von anderen beschenkt zu werden. Gaben verpflichten, Schenken verbindet. Schnell wurden wir Teil dieser archaischen Schenkkultur. Die Insulaner brachten Yams, Süßkartoffeln, Papayas und Schnitzereien im Kanu zu uns an Bord. Wir gaben Reis, Zucker, Kleidung und Angelzeug zurück. Elf Monate verbrachten wir in den Hinterhöfen der Südsee, lebten außerhalb unserer Zeit. Wir vermissten nichts, weder Telefon, Fernseher, Internet oder Supermarkt. Die Insulaner lehrten uns Genügsamkeit: Weniger, statt immer mehr.

Schließlich das Unbehagen vor der Rückkehr in die Zivilisation. Und ein Gefühl von Zerrissenheit. Als ob uns das Wandern zwischen den Welten daran hindern würde, uns irgendwo heimisch zu fühlen. In Darwin, Australien, erwachten wir endgültig aus der pazifischen Traumzeit, außerdem stand ein längerer Werftaufenthalt am Programm. Wir rüsteten Nomad für den letzten Teil der Reise und gaben in einem Monat mehr Geld aus, als im ganzen Jahr davor. Unter sengender Sonne schraubten, flexten, schweißten, pinselten und werkelten wir Woche um Woche.

 

Ankerplatz vor Kitava, Trobriand Islands, Papua Neuguinea, Juni 2008

Trailer


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