09. August 2016 – Natürlich ist es im nachhinein einfach. Einige haben es vor uns getan, verrückte und weniger verrückte Seelen.
Dennoch bin ich aufgeregt, als ich durchs Fernglas blicke. Von chaotischen Wellen und Eisbarrieren ist Gott sei Dank nichts zu erspähen. Beschließen, dass der 09. August 2016, ein Tag mit wenig Wind, genau der richtige Zeitpunkt ist, durch die gefürchtete Bellot Strait zu fahren. Nomads Nase durch dieses legendäre Nadelöhr zu stecken. Die Meeresenge trennt die Somerset Insel von der Boothia Halbinsel und verbindet den Prince Regent Inlet mit dem Peel Sound. Durch die ca. 20 km lange Durchfahrt, die an der engsten Stelle nur 1 km breit ist, laufen Gezeitenströme wie in einem Wildwasserfluss. Häufig ist die Passage von Eis versperrt, lesen wir im Eastern Arctic Pilot und manche Jahre geht sie nur für wenige Tage auf.
Nie zuvor berechneten wir so penibel die Tide, legten den Zeitpunkt der Abfahrt derart exakt fest. Aber hier gilt vor allem eines: Immer schön zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Unsere Züge korrekt planen, um ungeschoren davonzukommen. Nur wer hier im Voraus berechnet, wann er wo sein soll, kann gefährliche Eddies, Overfalls, Stromschnellen vermeiden. Die Konstellation Wind gegen Strömung kann hier angeblich zum Horror ausarten. Schlichtweg eine Chaosdurchfahrt. Die deutsche Segelyacht Breakpoint probierte vor drei Tage durchzukommen und musste wegen acht Knoten Gegenstrom und zu viel Eis wieder umdrehen.
Aber in unserem Fall ist alles anders. Zum Glück. Nur an einigen Stellen können wir ahnen, was unter Wasser wirklich passiert, selbst bei Stillwasser. Zwischen den Strudeln liegt das Meer wie ein Spiegel unter dem Himmel. Irgendein Sog muss dort am Walten sein. Ständig schauen wir voraus, suchen die Meeresoberfläche nach Phänomenen ab, die unsere Augen noch nie zuvor sahen. An der Engstelle der Durchfahrt treibt uns eine schmale Eisbarriere den Schweiß auf die Stirn. Konzentriert kurven wir im Zickzack um die Packeisschollen, die wie von Geisterhand in unterschiedliche Richtungen gezogen werden. Wehe wenn die Ungeheuer der Bellot Strait aus ihrem unruhigen Schlaf erwachen und sich erheben!
Als wir am Ende des Schlauchs in die Franklin Strait biegen, flimmert die Packeisgrenze am westlichen Horizont. Der Weg nach Süden ist frei! Die Würfel sind gefallen: Wir fahren weiter durch die Nordwestpassage, von hier gibt es kein Zurück mehr.