13. Mai 2018 - Es wird Zeit, von Seward loszukommen. Doch wieder zieht eine Kaltfront vom Golf von Alaska heran.
Graupelschauer fegen über den Hafen, die Berge verstecken sich in grauen Regenwolken. Bei dem vorherrschend schlechten Wetter erhebt sich nicht die Frage, wann wir morgen ablegen, sondern, ob wir überhaupt die Leinen lösen.
Nomad nach dem langen Winterlager wieder reisefertig zu bekommen, ist eine Aufgabe für sich. Die gesamte Logistik erreicht eine Phase haarsträubender Lastminutehaftigkeit. Bis zum Moment des Losfahrens werkeln wir, warten Ausrüstung, verstauen Kanister, Leinen, Lebensmittel, bunkern Wasser und Diesel, lassen Gasflaschen auffüllen. Wolf baute heute noch den Lineardrive des Autopilots wieder ein, der unter den Cockpit - Bodenbrettern montiert ist. Zur Zeit justiert er bei eisigem Nordwind Nomads Wanten und Stagen. Letzten Herbst lockerten wir sie um zwei Umdrehungen. Das machen wir immer, wenn unser Boot längere Zeit in der Kälte steht.
Abfahrt bedeutet Freiheit. Freiheit von der Tyrannei der Listen, dem täglichen Ritual des Hinzufügens von Arbeiten, die noch zu erledigen sind. Und Freiheit von der ständigen Erreichbarkeit. Jetzt liegen nur noch Zeit, Landschaft und Wasser vor uns. Es wird etwas dauern bis wir völlig eingetaucht sind im Bordalltag, bis das Durcheinander verschwindet und wir uns an das Leben gewöhnen, wo jeder Tag wie ein unbeschriebenes Blatt Papier ist. Eine Zeit des Druckablassens, des Wiedereinrichtens nach Kommen und Gehen des Windes, der Wellen, der Gezeiten. Es ist eine Zeit des Erinnerns und Wiederentdeckens - wo finden wir den nächsten gut geschützten Ankerplatz im Prince William Sound? Wie verstaue ich alles so, dass beim Segeln nichts durch die Kajüte fliegt? Wie haben wir letztes Jahr das Dingi auf der Plattform festgezurrt?
Abfahrt bedeutet aber auch, dass wir wieder Abschied nehmen von lieben Menschen. Von Jesse und Samm zum Beispiel, die wir seit Grönland kennen und die über den Winter auf Nomad aufpassten. Oder von Jason und Charity, die Jurten an Touristen vermieten und selber in einer Jurte, ohne Stromanschluss wohnen (www.shearwatercove.com). Und von Jamie, der uns zu unserer ersten Schitour in Alaska motivierte, mit uns auf den Manitoba ging und sich im sulzigen Wasserschnee genauso so abmühte wie wir. Tja, Reisen können wir mittlerweile ganz gut, bloß mit den verdammten Abschieden hapert es immer noch.
Auf geht´s zur Schitour (li.), mit Jamie am Manitoba - Kenai Peninsula (Mitte), Besuch an Bord: Jason, Samm, Jesse, Doris und Charity (re.)