5. Juli 2019 - Ein Schiffsdiesel muss geschmeidig laufen, nicht hart. Und er darf auf keinen Fall zu heiß werden.
In einer Gegend, in der man häufig die Maschine braucht, schenkt man dem Motor sehr viel Aufmerksamkeit, spürt mit allen Sinnen jedem Anzeichen nach. Bei unserer Fahrt von Vancouver nach Bowen Island klettert die Temperaturanzeige auf 95 Grad, was einfach zu viel ist. Unsere inneren Alarmglocken schrillen! Gehen nach dem Ausschlussprinzip vor: Seewasserventil okay und offen, Wasserfilter sauber, Auspuff spuckt genügend Wasser aus.
Kaum in der Union Steamship Marina angekommen, zerlegt Wolf dennoch die Wasserpumpe und siehe da: ein Flügel am Impeller fehlt. "Das haben wir gleich," meint er und wechselt ihn aus. Natürlich muss der abgerissene Flügel irgendwo stecken oder gar quer liegen. Also machen wir uns auf die Suche. Wolf montiert Ein- und Auslass-Schlauch am Wärmetauscher ab und spült ihn mit Süßwasser in die Gegenrichtung durch - in der Hoffnung, dass das Ding von alleine rausflutscht. Das passiert natürlich nicht. Mit der Stirnlampe leuchtet er in einen der Auslässe und erkennt vage den schwarzen Gummiflügel. Mit viel Fingerspitzengefühl und einer Zahnarztpinzette erwischt Wolf den Störenfried.
Siegessicher legen wir ab. Der Bootsnachbar winkt, hebt den Daumen in die Höhe, wünscht gute Reise. Wir wollen nur zehn Seemeilen weiter in die nächste Bucht. Kurz nach der Hafenausfahrt blicken wir auf die Temperaturanzeige und erstarren. Trotz des nagelneuen Impellers klettert sie immer noch auf 95 Grad. Drehen sofort um und machen reumütig wieder auf E 13 fest. Diesmal hilft uns der Stegnachbar beim Anlegen, erzählt von seinem Motordesaster bei 50 Knoten Wind und diversen Impellerteilen im Wärmetauscher. Durchforste sofort das Internet nach Yanmar-Mechanikern in der Umgebung. Wolf bleibt cool: "Jetzt checken wir den Thermostat!" Bauen den automatischen Temperaturregler aus, legen ihn in einen Topf mit Wasser und stellen ihn auf den Herd. Kurz vor dem Sieden macht die Feder auf, sollte also okay sein. In unseren Köpfen beginnt es zu rattern. Was jetzt? Frostschutz wechseln? Motorheizung und Boiler abklemmen? Hoffentlich funktioniert die innere Wasserpumpe. Es scheint, immer komplizierter, kniffeliger zu werden. Intuitiv kramen wir einen neuen Thermostat aus unserem Ersatzteillager und kochen ihn gemeinsam mit dem alten. Ein Unterschied ist kaum zu erkennen, der neue Thermostat öffnet etwas früher und macht eine Spur weiter auf. Zweifelnd baut Wolf den neuen Temperaturregler ein. Wir verzichten diesmal auf die Probefahrt und testen direkt am Steg. Starten die Maschine und legen den Vorwärtsgang ein. Achterleine und Spring spannen sich. Auch wir sind aufs Äußerste gespannt. Eine halbe Stunde vergeht - und die Temperaturanzeige bleibt im grünen Bereich, bei 82 Grad! Gott sei Dank!
Die Schrauberei nimmt heuer kein Ende, ist fast Dauerzustand. Doch es gilt: Nicht aufgeben! Niemals den Kopf in den Sand stecken! Ich bewundere Wolf dafür, dass er Schwierigkeiten entgegengeht und nicht vor ihnen davonläuft. Er weiß immer, welchen Weg wir einschlagen, wie man eine Luke dicht bekommt, wie man einen Hydraulikzylinder ausbaut, wie man das Rigg trimmt, wie man neue Matratzen in die Kojen schneidet ... und wie man einen überhitzten Motor repariert.
P.S.: Nomads Motor ist ein Yanmar 4JH5E mit 54 PS und seit 2012 an Bord. Mittlerweile haben wir 2800 Betriebsstunden drauf, die letzten Jahre in der Arktis, in den hohen Breiten haben wir die Maschine viel verwendet. Ich persönlich kenne mich mit Motoren überhaupt nicht aus. Die einzige Wartungsarbeit, die ich alleine ausführen kann, ist ein Ölwechsel. Und ich bin auf den richtigen Sound unserer Maschine voll eingetunt, jeder eigenartige Muckser fällt mir sofort aus:-) In diesem Sinne wünschen wir Euch, dass Eure Motoren immer seidenweich vor sich hinschnurren.
Union Steamship Marina, Snug Cove, Bowen Island