01. Oktober 2019 - Nach schaukeligen und strömungsgeplagten Ankerplätzen in der San Francisco Bucht sehne ich mich nach einer Marina.
Möchte mal wieder ausgiebig duschen, Wäsche waschen und unser Boot an einem Steg vertäuen, damit wir sorgenfrei ins Yosemite fahren können. So durchforste ich das Internet nach leistbaren Häfen und finde die Marina Vallejo. Gut 20 Seemeilen von der Golden Gate Bridge entfernt, am östlichen Ende der San Pablo Bay, im Napa Fluss gelegen, weit weg vom Trubel der Großstadt. Bevor wir uns dorthin auf den Weg machen, rufe ich im Marinabüro an, um sicher zu gehen, dass wir einen Platz bekommen.
Kimberly hebt das Telefon ab und flötet mir ins Ohr: „How can I help you?“ Ich erkläre kurz die Situation: Österreichische Segelyacht, 41 Fuß lang, auf der Durchreise, etc. Ja, Platz gibt es, teilt Kimberly mir mit, aber bevor wir in der Marina Vallejo anlegen dürfen, braucht sie unbedingt eine Kopie unserer Schiffspapiere sowie der Versicherungspolizze. Kein Problem, antworte ich, kann ich per E-Mail senden. „Okay“, meint Kimberly, aber es besteht immer noch die Möglichkeit, dass wir nicht bleiben dürfen. Warum kann sie mir nicht wirklich erklären, wir sollen bei Ankunft am Guestdock festmachen und umgehend im Office erscheinen.
Gesagt, getan. Wolf und ich spazieren gut gelaunt ins Marinagebäude, steigen die Treppen rauf zum Büro und werden freundlich von zwei Damen empfangen. Unser E-Mail ist angekommen, meint Kimberly, aber jetzt müssen wir noch einen Vertrag ausfüllen. Das Formular besteht für mich gefühlt aus 100 kleingedruckten Seiten, na gut das ist übertrieben, aber 20 sind es auf jeden Fall. Wir erhalten eine hochkomplizierte Erklärung, wie und wo und was wir ausfüllen sollen, zum Beispiel müssen wir auf jedes Seitenende unsere beiden Initialen schreiben. Anfangs läuft alles gut. Nach 20 Minuten unterzeichnen wir den Vertrag und überreichen ihn siegessicher an Kimberly. Sie wirft einen kurzen Blick darauf, schüttelt den Kopf und zeigt auf den Punkt „credit report“, den wir ausgelassen haben. Ein „credit report“ ist eines der vielen Folterwerkzeuge im amerikanischen Geschäftsleben, eine Übersicht über alle Kredite, die man je aufgenommen hat und viel wichtiger über das Rückzahlungsverhalten. Damit möchte sich die Marina vor Betrug und säumigen Zahlern schützen. Ich erkläre Kimberly, dass wir keinen „credit report“ vorweisen können, wir sind Touristen, Ausländer in den USA. Kimberly gefällt das gar nicht, sie habe ihre Vorschriften und brauche eine positive Rückmeldung, einen Hinweis auf brav abgezahlte frühere Kredite, um den Vertrag mit uns abschließen zu können. Ich mache ihr den Vorschlag, dass wir auch gerne bar bezahlen können. Jetzt, sofort, gleich. Dieses Angebot entsetzt sie komplett. Sie darf auf keinen Fall Bargeld in diesem Office annehmen. Langsam reißt mein Geduldsfaden, ich murmele zu Wolf: „Komm lass uns wieder fahren, das ist lächerlich.“ Doch Wolf flüstert mir zu: „Durchhalten!“, er bleibt stoisch und gibt sich charmant. Immerhin bringt er Kimberly so weit, ihren Vorgesetzten zu fragen, was man mit Leuten wie uns machen soll.
Schlussendlich einigen wir uns darauf, eine Kaution von einer Monatsmiete zu hinterlegen und die Liegeplatzgebühr mit der Kreditkarte im Voraus zu bezahlen. Kimberly überreicht uns endlich einen Magnetschlüssel, der uns Zutritt zu der Wäscherei, den Duschen, Toiletten und unserem Steg gewährt. Hurra! Geschafft! „Enjoy your stay and have a nice day!“, trällert sie, als wir das Büro verlassen. Noch nie in 30 Jahren Fahrtensegeln war es derart schwierig, einen Marianaplatz zu ergattern. Reisen in den USA dürfte auch die Akzeptanz an schier unfassbare Gedankengänge und Wirklichkeiten sein.
Jeden Abend spektakulärer Sonnenuntergang in der Marina Vallejo.