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Mythos Yosemite

veröffentlicht am: 14. Oktober 2019 | Doris Renoldner

7. Oktober 2019 - Schon in seiner Jugend träumte Wolf von den magischen Felswänden des Yosemites - das Kletterparadies schlechthin.

1975 wollte er mit Freunden dorthin, doch ein Sturz aus dem Kanzelriss am Peilstein vereitelte die große Reise. 44 Jahre später machen wir uns gemeinsam auf den Weg. Der Sog ist stark. Von Vallejo, wo wir Nomad in der Marina zurücklassen, fahren wir mit einem Mietauto gut 300 Kilometer zum berühmten kalifornischen Nationalpark. Rucksack, Zelt, Isomatten, Gaskocher, alles dabei. Wir stellen uns vor, in jedem Campingplatz den Schlafsack ausrollen zu können. Heute hier, morgen dort. Ohne festen Plan. Was wir nicht ahnen: Von Juni bis Ende September gibt es im Nationalpark einfach keine freien Plätze in den Campgrounds. Die Besucher reservieren bereits ein halbes Jahr im Voraus. So wird die Suche nach einer Bleibe die größte Herausforderung dieser Landreise.

Beim Mono Lake sehen wir zum ersten Mal die Gebirgskette der Sierra Nevada und folgen einer steilen Straße hinauf zum Tioga Pass, der östliche Eingang in den Nationalpark. Wir haben kaum eine Vorstellung von diesem Ort, nur Bilder im Kopf. Gleich beim Lembert Dome halten wir, ein Reibungskletter-Wunderberg. Völlig außer Atem, wir befinden uns auf knapp 3.000 Meter Höhe, laufen wir über glatte, geneigte Platten, doch bald wird es uns zu steil, wir haben kein Seil dabei. Der Ausblick ist von wilder Schönheit. Aus der Idee beim Tuolumne Meadows Campground zu übernachten wird nichts. „Campsite full“ lesen wir auf einem Schild. Da ist sie wieder – die Diskrepanz zwischen unserer Vorstellung und der Realität.

Der Tag geht zu Ende, und wir müssen noch einen Platz zum Schlafen finden, verlassen den Nationalpark und fahren zurück nach Norden zum Lower Lee Vining Campground. Sand, Staub, schmutzige, schiefe Holztische unter Bäumen, vergammelte Toiletten, keine Duschen. Dusty Camp! Wegen der Bären muss man Essen, Getränke, aber auch Zahnpasta, Duschgel, Sonnencreme, etc. in so genannte Food-Lockers sperren. Nichts, was irgendwie riecht, darf im Auto bleiben oder gar ins Zelt mitgenommen werden. Eine Spezialität der Yosemite Bären ist das Autoknacken! Tür aushebeln oder Scheibe einschlagen und das Autoinnere nach Fressbarem durchsuchen!

Nach zwei Tagen machen wir uns auf ins Valley. Yosemite ist eng verknüpft mit dem „El Capitan“, einem Granitmonolithen, wie es ihn nur einmal auf der Welt gibt. Wie stellt man es an mit Natursehenswürdigkeiten, die in jedem Reiseführer stehen und somit furchtbar überlaufen sind? Ich habe auch nur eine Notlösung: früh aufstehen. Auf eines kann man sich an fast allen Orten der Welt verlassen. Die meisten Menschen sind bequem. Als wir morgens den Crane Flat Campingplatz verlassen, ist die Straße noch einsam. Wir düsen runter ins Valley und plötzlich sehen wir das Wahrzeichen der Gegend: El Capitan! Glatt, goldgelb, tausend Meter Vertikale ohne Unterbrechung. Wir parken beim Merced River und folgen einem Pfad zum Einstieg der „Nose“, eine der berühmtesten Kletterrouten der Welt. Der Anblick lässt unseren Puls hochschnellen. Wenn man vor dieser magischen Wand steht, muss man sich zuerst einmal über die wahren Größenverhältnisse klar werden. Wie groß oder klein ist da ein Mensch? Wir erspähen zwei kleine Punkte in einer Rissreihe, weiter rechts zwei Portaledges und darüber wieder zwei Punkte. Es sieht verdammt schwierig aus! Fasziniert starren wir hinauf. Eine junge Frau seilt sich ab, sie wirkt erschöpft und traurig. Anfangs trauen wir uns nicht, sie anzusprechen, dann meint Wolf: „Don´t be sad!“ Sie antwortet: „It was so hard! Meine beiden Seilpartner sind fitter als ich und viel schneller, wenn ich nicht mitkomme, trotzdem werden sie drei bis vier Tage brauchen. Ich habe den ganzen Sommer trainiert, um diese Tour zu klettern!“ Wir können ihre Enttäuschung gut nachvollziehen.

Jetzt ist der Tag voll da. Laut, grell, bunt. Autokolonnen und Busse strömen herbei. Touristen, Naturliebhaber, Fotografen, Kletterer, Wanderer. Ich habe den Eindruck, dass das Tal mehr Verkehr und Besucher ertragen muss, als es eigentlich verkraften kann. Beim Campsite Reservation Office erfahren wir, dass im Valley kein einziger Platz frei ist und dass unser Crane Flat Campground heute um 12:00 Uhr geschlossen wird – Saisonende! Ich denke: Das kann doch nicht wahr sein. Warum hat uns das niemand gesagt? Enttäuscht bauen wir unser Zelt ab, verstauen alles im Auto und geben auf, flüchten aus dem berühmten Nationalpark. Menschenmengen und Gedränge sind vielleicht auf Konzerten erstrebenwert, aber selten am Berg, in der Natur. Circa vier Millionen Touristen besuchen jedes Jahr das Yosemite Valley. Manchmal muss man umkehren, weil man zur falschen Zeit am falschen Ort ist, weil das Timing einfach nicht stimmt. Yosemite bleibt ein Mythos für uns.

Gut zu wissen: Beim Nationalpark-Eingang haben wir einen „Annual Pass“ um U$ 80,- gekauft, gültig für ein Jahr in allen Nationalparks der USA, man braucht als Familie nur ein Stück. Der über 3.000 qkm Yosemite Nationalpark ist allemal eine Reise wert, die Eindruckskraft der schroffen Felswände und der Wasserfälle leidet unter den Millionen Besuchern nicht.

Nicht vergessen: Spontan geht hier nichts. Unbedingt Quartiere, Campingplätze, Mietauto im Voraus reservieren, sonst wird es teuer oder es geht einem wie uns …

Tuolumne Meadows mit Tenaya Lake

Trailer


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