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Quarantäne

veröffentlicht am: 31. März 2020 | Doris Renoldner

30. März 2020 - Letzte Nacht weckten uns Schreie, Scheinwerfer, Taschenlampen und aufgeregte Stimmen auf UKW 16.

Eine unbemannte Yacht ging auf Drift, ihr Anker hielt dem hohen Südost-Schwell, der hier ungehindert in den Hafen läuft, nicht stand. Das vernachlässigte Boot ohne Mast strandete am Ufer und brachte vier andere Yachten in Bedrängnis.

Ansonsten führen wir derzeit ein einsames, stilles und unaufgeregtes Leben vor Anker im kleinen Hafen von Atuona. Das süßliche Hiva Oa spürt sich seit geraumer Zeit eine Spur rauer an. Woran denkt man, wenn man weiß, dass man mindestens noch zwei Wochen in Quarantäne bleiben muss, noch zwei Wochen das Boot nicht verlassen darf? Welche Gedanken tanzen einem durch den Kopf, wenn man begreift, dass weitersegeln verboten ist? Können wir zwischen sinnvoller Vorsicht und sinnloser Furcht unterscheiden? Oder verursacht der Kampf gegen die Panik nur noch mehr Panik? Zweimal die Woche dürfen wir mit dem Dingi beim Steg festmachen, Wasser in Kanister füllen, den Müll loswerden, und Sandra von Hiva Oa Yacht Services bringt uns den Einkauf, den wir tags zuvor per Mail bestellt haben.

Trotz der Ausnahmesituation versuchen wir einen geregelten Tagesablauf einzuhalten. Wollen uns dem Weltschmerz nicht ganz hingeben und bekämpfen ihn mit Beschäftigungstherapie. Doch im Moment fühlt sich das sonst meist federleichte Bootsleben schwer an. Nie hätten wir uns vorstellen können, dass wir nicht mehr weitersegeln dürfen. Unser Boot symbolisierte immer unsere Freiheit. Und das Meer. war in den letzten 30 Jahren immer jener Ort, wohin wir uns flüchten konnten vor der gerammelt vollen, komplett überdrehten Welt. Das Meer diente quasi als Bühne für unsere Träume, Sehnsüchte und Illusionen. Eine immens große, freie Fläche, auf der sich ganz vorzüglich die Kurve kratzen ließ. Zurzeit unerreichbar. Zig Mails haben wir bereits nach Neuseeland und Australien geschrieben und nachgefragt, ob wir dort noch einreisen dürfen, aber nirgends mehr auf der Welt, will man in Zeiten von Corona „fremde“ Yachten reinlassen. Inzwischen wollen wir nichts anderes mehr, als einen sicheren Liegeplatz für unsere Nomad finden und heimfliegen.

Aber wir sind verdammt, hier zu bleiben, in Atuona. An Land gibt es eine kleine Werft, die aber knallvoll mit Booten ist und derzeit auch nicht arbeitet. Und Flüge von den Marquesas Inseln nach Tahiti und weiter nach Europa sind ebenfalls gestrichen. Vielleicht erhalten wir irgendwann in den nächsten Monaten eine Genehmigung, von hier nach Tahiti zu segeln. Wie wird sich das Cruisen dann anfühlen? Im Fakarava-Atoll (Tuamotus) will man zurzeit alle Yachten loswerden, man will den Seglern keine Lebensmittel mehr verkaufen, will sie aushungern. Die Einheimischen sind uns gegenüber skeptisch, für sie bringen wir Reisende das Virus, wir bringen die Krankheit, wir bringen Elend und Sterben. Wie lange wird es dauern, bis wir wieder unbeschwert von A nach B segeln können? Oder wird sich das Fahrtensegeln, das Nomadenleben überhaupt aufhören? Fragen über Fragen und keine Antworten. Vielleicht aber drehen sich unsere Gedanken hier auch im Kreis, und wir sollten dankbar sein, dass wir beide gesund sind, die Behörden uns hier dulden und dass es bis jetzt keinen einzigen Corona Fall auf den Marquesas gibt. Und hoffentlich bleibt das auch so.

In diesem Sinn grüßen wir Euch aus der Südsee, aus Atuona, Insel Hiva Oa, am 10. Tag unserer Quarantäne

 

Trailer


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