27. August 2020 - Alle sechs Stunden drückt die Flut das Wasser des Pazifiks durch den Südpass des Fakarava Atolls. Dabei entwickelt die Strömung einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann.
Dann heißt es für uns: schnorcheln im Passe Tumakohua, einem der Top-Tauchspots von Polynesien. Vom Dingi stürzen wir uns in den dunklen Kanal. Wie immer ist es, als zersplittere ein Spiegel, hinter dem sich eine bizarre, fremde Welt auftut. Ich starre in glasiges Blau, ein Blau, das nach unten hin immer dunkler wird. Wir halten uns ganz dicht am Ufer der Pass-Insel Tetamanu, liegen bewegungslos am Wasser und warten auf die Haie, für die der Pass so berühmt ist. Schon zieht der erste Schwarzspitzenhai elegant an uns vorbei. Aus dem tiefschwarzen Schlund des Kanals taucht ein grauer Riffhai auf. Ich versuche ruhig zu bleiben, kann meinen Blick nicht von ihm lösen. Das Besondere ist der direkte Kontakt mit dem Raubtier. Nicht wie auf Safari in Afrika, wenn man vom Jeep aus Löwen durch die Windschutzscheibe beobachtet. Wir sind hier auf Tuchfühlung, es gleicht fast einer spirituellen Erfahrung. Drei weitere Schwarzspitzenhaie kommen uns entgegen, Pilotenfische kleben an ihren Körpern. Ein riesiger Napoleonfisch schwimmt mit rollenden Augen knapp an uns vorbei. Die Strömung wird stärker, wir werden durch den Kanal gezogen. Loslassen, man muss loslassen können, ich drücke Wolf die Dingileine in die Hand und jetzt wird das Schnorcheln zum Gleitflug knapp über den Korallen und bunten Rifffischen. Sagenhaft. Dort wo die Strömung endet und die Lagune beginnt, steigen wir ins Dingi und fahren wieder raus, um uns nochmals durch den Pass treiben zu lassen. Man kann einfach nicht aufhören.
Der Ankerplatz im Süden von Fakarava ist gespickt mit Korallen, deshalb freut man sich, wenn man eine der fünf Mooringbojen ergattert. In unserem Comeback zu diesem Ort steckt viel Symbolik. Bereits 1995 - während unserer ersten Weltumsegelung mit der kleinen Susi Q - erlebten wir hier Sternstunden mit dem charismatischen Manihi, der damals noch vom Fischfang lebte. Die Begegnung mit ihm zählt bis heute zu den Schlüsselerlebnissen unserer ersten Reise. 2004 und 2005 besuchten wir ihn wieder. Manihi hatte auf Tourismus umgesattelt und auf sein mit Kasuarinen bewachsenes Motu Aito Bungalows gebaut, die er an Gäste vermietete. Im Herbst 2018, als wir den Charterkatamaran Chappe skipperten, schauten wir ebenfalls bei ihm vorbei. Manihi lud zur Holzhofenpizza ein und fuhr unsere Crew zum Sable Rose, zum rosaroten Sandstrand. Letztes Jahr, hat man uns erzählt, zog Manihi nach Tahiti, weil seine Frau Tila erkrankte. Sein kleines Motu pachtet heute eine Tauchschule. Manihis Leben hat sich also von Grund auf geändert. Komisch fühlt sich das an. Er, der immer versicherte, dass er hier sein würde - egal wann wir wiederkommen. Neue Zeiten werfen neue Fragen auf. In unserem Alter haftet vielem das Letztmalige an. Werden wir nochmals hierher zurückkommen? Werden wir Manihi je wiedersehen? Wir wissen es nicht. Unsere alte Realität kommt mir derzeit Lichtjahre entfernt vor. Corona hat viel hervorgebracht, unter anderem die Tatsache, dass die Zukunft nicht mehr so ohne weiteres als Fortsetzung der Gegenwart erscheint. Wir sitzen im Cockpit, blicken auf Manihis kleines Inselchen und erinnern uns an die alten Zeiten. Wir nehmen jedes Detail wahr, wir wollen ja nichts vergessen, den Moment am liebsten festhalten, damit wir die Bilder in unseren Köpfen abrufen können, wenn wir wieder zurück sind im anderen Leben, in Österreich. Kann man je zu viel Erinnerung haben?
Tipps Fakarava:
Fakarava, das zweitgrößte Atoll der Tuamotus, ist 32 Seemeilen lang und 15 Seemeilen breit. Außer Hirifa im Südosten gibt es keinen wirklich guten Ankerplatz. Vor dem Dorf Rotoava ankert man recht tief zwischen Korallen, mit Glück erwischt man eine freie Mooringboje. Achtung: nur die weißen Bojen nehmen, die gelben sind alle privat. Vor Tetamanu im Süden des Atolls beim Passe Tumakohua gibt es ebenfalls fünf Bojen, ankern ist dort eher schwierig wegen der vielen Korallen. Eine tolle Navigationshilfe bietet das auf den Navionics Karten eingezeichnete schmale Fahrwasser, das in Längsrichtung durch die Lagune führt und exakt vermessen wurde.