20. Dezember 2020 - Ein Jahr ist eine lange Zeit. Und doch im Nu verflogen. Von San Francisco in Kalifornien bis Französisch Polynesien in der Südsee.
Ein äußerst seltsames Reisejahr, ausgebremst durch Corona, gefüllt mit zerschmetterten Plänen, unerwarteten Eindrücken und Begegnungen. Manchmal kam es mir vor, als löse sich die Welt, so wie wir sie kennen, einfach auf. Trotz aller Pandemie Widrigkeiten ließen wir an die 6000 Seemeilen in unserem Kielwasser. „Flexibel bleiben“ lautet bis heute die Devise, und die Hoffnung, dass 2021 in vielen Belangen besser wird, stirbt zuletzt.
Wird man dem „Ständig-Am-Boot- Sein“ irgendwann überdrüssig? Wird es einem zu eng? Zu stickig? Zu heiß? Oder zu einsam? Zu langweilig? Zu unbequem? Nomad ist unser Lebensraum, unser konzentriertes kleines Reich, auf dem sich alles befindet, was wir zum Leben brauchen. Eingesperrt fühlten wir uns während des 50 tägigen Lockdowns in Atuona im März/April dieses Jahres. Und bitter ist bis heute die Erfahrung, nicht mehr spontan entscheiden zu können, wohin wir segeln wollen, weil alle Inselstaaten westlich von uns noch immer ihre Tore geschlossen halten. Eindeutig kein Jahr für Freigeister, aber dennoch eine dichte Folge besonderer Augenblicke. Die Kunst liegt darin, sie zu erkennen und bewusst zu genießen. Hier, in den Tuamotus, gelingt uns das auf Anhieb. Ich denke an den großen Delphin, der uns durch den Avatoru Pass von Rangiroa begleitete, fast so, als wollte er uns den Weg zeigen. Oder als wir, kaum in Fakarava angekommen, unsere Auffangplane über das Vordeck spannten und es zu regnen begann. Die Tropfen prasselten so leidenschaftlich wie es nur der Regen der Südsee vermag und füllten unsere Wassertanks. Oder das Wiedersehen mit Michèle und Richard nach 16 Jahren. Wir konnten es kaum glauben, als sie mit ihrer blau gestreiften Thélème neben uns vor Anker gingen. Das letzte Mal sahen wir einander in Puerto Montt, Chile, eine Szene so fern wie eine Kindheitserinnerung.
Oder hier in Tahanea, unserem Lieblingsatoll. Weit weg von allem. Ein guter Ort, um alles zu vergessen. Blicke ich aus dem Niedergang glitzern Sonnensterne auf dem Wasser, in der Ferne verschwimmt der Himmel nahtlos mit dem Blau der Lagune. Möchten hier ein wenig abtauchen, unseren Gedankenschleifen entkommen, die mit Lebenssorgen und einem vagen „Wie geht es weiter?“ zu tun haben. Manchmal frage ich mich, wann aus „Wenn das alles (Corona) vorbei ist“ letztlich „Wenn es wieder ein bisschen besser ist“ wurde? Bin mittlerweile an dem Punkt angekommen, an dem ich auf Wolfis Frage, ob ich nach Honolulu oder in die Baja (Mexiko) möchte, nur noch mit „Ja“ antworte. Die Möglichkeit, ein paar Wochen über den Ozean zu segeln und die Karten neu zu mischen, wirkt auf mich so beruhigend wie Notfallstropfen.
P.S.: Und ja, wir sind noch immer in Tahanea, da es hier keinen Internetzugang gibt, konnten wir in den letzten Wochen kein neues Update hochladen. Dieses geben wir Erwin und Lambrini von der SY „Sagitta“ mit, die so lieb sind und Text und Fotos von Fakarava aus an unseren Webmaster Joe Korntheuer mailen.
Und natürlich wünschen wir den treuen Leserinnen und Lesern unserer Website frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins 2021er!