20. Jänner 2021 – Sechs Wochen lang versteckten wir uns vor dem Rest der Welt. In unserem Lieblingsatoll der Tuamotus, im unbewohnten Tahanea.
Sechs Wochen lang kein Shop, kein Internet, keine Nachrichten, kein Handygeklingel, keine Autos, keine Covid-Masken. Dafür intensive Einfachheit. Sechs Wochen lang lebten wir in der flüchtigsten und kostbarsten aller Zeitformen: im Augenblick. Als gäbe es ihn hier für immer.
In der ersten Woche in Tahanea lernten wir junge australische Segler kennen und philosophierten mit ihnen beim Lagerfeuer übers Reisen. Als sie abfuhren, schenkten sie uns 15 Liter Benzin für den Außenborder. Einfach so. In der zweiten Woche ging der Frühstücksschinken aus, wir rationierten den Konsum von Eiern und schnitten Weihnachtssterne aus Aluminiumdosen. In der dritten Woche glaubte ich, alle Fische im Nordpass persönlich zu kennen, der Napoelonfisch begrüßte mich immer besonders freundlich. In der vierten Woche tanzten wir Donauwalzer am Strand, barfuss und bei Mondlicht. In der fünften Woche buk ich eierlosen Kuchen, der übrigens ausgezeichnet schmeckte. Außerdem erwischte uns eine 30 Knoten Regenbö beim Quer-Lagune-Segeln und zugleich fingen wir einen Green Jobfish. In der sechsten Woche bemerkten wir, dass unser 20 Jahre alter Kühlschrank langsam den Geist aufgibt, und ich malte mir aus, wie wohl warmer Gin Tonic schmecken wird. Der tapfere Kühlschrank arbeitet zum Glück bis heute (3 Wochen später), zieht unglaublich viel Strom und muss in sehr naher Zukunft ausgetauscht werden…
Tahaneas Reichtum ist so einfach, dass man ihn schwer als solchen begreift: Sonne, Sand, Wellen, Koralleninseln (Motus), Palmen, Fische und freier Zugang zum Jetzt. Die Südostecke des Atolls gefällt uns besonders gut. Kaum ein anderer Ankerplatz in den Tuamotus zieht uns derart in seinen Bann. Als wollte die Natur mit der Schaffung dieses flachen Schelfs samt Trauminselchen Abbitte leisten für ihre schlechte Laune in anderen Regionen. Brauchten wir Abkühlung glitten wir schwerelos in den angrenzenden Hoa (Kanal zwischen zwei Inselchen), tauchten unter und erst wieder auf, wenn uns die Luft ausging. Mit Salz auf der Haut, den Lippen und im Blut.
Unser Tempo verlangsamte sich ganz von alleine. Wir wurden ruhiger, gelassener, entspannter und doch gab es ständig etwas zu tun: Kochen, zwei Mal die Woche Brot und Kuchen backen, Kokosnüsse von den Palmen holen, Wäsche waschen, fischen, Inselspaziergänge, SUP paddeln, Strand-Yoga, Projekte wie den UV-Schutz der Genua flicken, Winschen warten, Dingi reparieren, Cockpit putzen, Stauräume durchforsten, ausmisten, Bootsnachbarn besuchen, lesen (z.B. Homo Faber von Max Frisch – immer noch gut!), Filme schauen (z.B. Frida mit Salma Hayek, einfach wunderbar). Da wir bis heute keine Entsalzungsanlage haben, fingen wir Regenwasser auf. Nutzwasser für Körperpflege etc. holten wir von einem großen Plastikfass, das bei einer verlassenen Hütte stand. Und ja, auch im Atoll diktierte der Wind unser Sein, er bestimmte welchen Ankerplatz wir benützen konnten und trieb uns öfters von einer Ecke in die andere.
Am Abend vor unserer Abreise präsentierte sich Tahanea verwunschener und bezaubernder denn je. Sogar der Sonnenuntergang war anders als erwartet. Kein goldener Ball, der im Meer versank, sondern nur überirdisches Licht, das die unterschiedlichsten Farbtöne aufs Wasser malte. Für einen Augenblick umarmte uns das Atoll mit seiner ganzen Pracht. Werden wir jemals wieder einen solchen Ort finden? Einen Ort, der uns Tränen in die Augen treibt, wenn wir ihn verlassen? Sechs Wochen lebten wir wie aus der Welt gefallen und doch näher an ihrem Puls als jemals zuvor. Es war Zeit zum Aufbruch.