10. Februar 2021 - Vorwindkurs, 10 bis 12 Knoten aus ESE. Nomad rollt und schlingert. Ab und zu fällt die ausgebaumte Genua ein, dann schlackert wieder das Groß.
Wir trimmen die Segel, zupfen an den Schoten und lassen uns dem nächsten Ziel entgegen wehen. 120 Seemeilen und 22 Stunden sind wir unterwegs. Kaum ist Raivavae hinter unserem Rücken verschwunden, steigt bald darauf Tubuai leise aus dem Horizont. Die Welt vom Wasser aus entdecken, gibt es etwas Schöneres?
Die letzten Meilen motorsegeln wir zum breiten Pass „Te Ara Moana“, biegen ins innere Fahrwasser und ankern zwei Seemeilen später vor dem Frachterkai. Wild springt Nomad in der seichten Lagune auf und ab. Alles wackelt, obendrein dieses Trancegefühl nach einer durchwachten Nacht. Tubuais Außenriff ist löchrig und teilweise versunken, deshalb findet die Pazifikdünung mühelos ihren Weg zum Ankerplatz. Dies ist auch der Grund, warum sich nur wenige Yachten hierher verirren. Neben uns schaukelt nur ein anderes Segelboot, die „Artemis“, eine Rustler 36, mit Heidi und Neill, die wir seit den Marquesas kennen.
Tubuai, die größte der Austral Inseln ist zehn Kilometer lang, fünf Kilometer breit, vulkanischen Ursprungs und Verwaltungszentrum des Archipels. Auf dem fruchtbaren Eiland gedeiht fast alles: Kartoffeln, Karotten und Gurken genauso wie Taro, Bananen, Avocados, Ananas und Kokospalmen. Ein Garten Eden also. Kein Wunder, dass sich 1789 die Bounty Meuterer hier niederlassen wollten. Doch hier zog Fletcher Christian den Kürzeren, denn die kriegerischen Insulaner vertrieben die Eindringlinge bereits nach drei Monaten. Der Rest ist Geschichte. Die Bounty segelte zurück nach Tahiti, bevor sie ihre letzte Reise nach Pitcairn antrat.
Heute geht es in Tubuai ruhiger zu. Obschon am Tag unserer Ankunft im sonst verschlafenen Hauptort Mataura Partystimmung herrscht. Der Präsident von Französisch Polynesien, Edouard Fritch persönlich, der aus Tubuai stammt, besucht die Insel. Die Einheimischen sind aufgekratzt und hübsch herausgeputzt, alle tragen brav Maske, die Frauen zusätzlich Blumenkränze am Kopf. In einem riesigen Zelt werden Reden geschwungen, es wird musiziert, gesungen und - wie in Polynesien üblich - viel gegessen. Von den Resten des üppigen Festmahls können wir ein paar Köstlichkeiten abstauben. Wolf schmeckt das in Taroblätter gewickelte Rindfleisch am besten, mir Poisson Cru (roher Fisch, gegart in Zitronensaft und mit Kokosmilch übergossen). Zwei Wochen später hören wir in den Nachrichten, dass es nun einen Cluster mit zehn neuen Corona-Infizierten in Tubuai gibt.
Auch das gehört zum Abenteuer Austral Inseln: Man weiß nie, wie, wo und wann man Treibstoff erstehen kann. Die verlotterte Tankstelle direkt hinter dem Hafen, die einst ein Kanadier betrieb, ist leider geschlossen. Durch Zufall kommen wir am „Tubuai Center“ vorbei, eine gut bestückte Eisenwarenhandlung. Der nette Besitzer, übrigens gebürtiger Österreicher, verkauft uns schließlich 20 Liter Diesel. Heiße Ware auf diesen abgelegenen Inseln.
Genervt vom ewigen Geschaukel am Ankerplatz verholen wir uns an die Westseite der Insel. Vier Seemeilen im Zickzack durch die riffgespickte, teils unvermessene Lagune mit Wassertiefen zwischen zweieinhalb und vier Meter lassen unseren Adrenalinspiegel hochschnellen. Einen Kilometer südlich vom Flughafen schwebt Nomad endlich ruhig und still im Türkisen. Freude über das kleine, das nahe Glück.
Der Mount Taitaa ragt 422 Meter in den Südseehimmel und ist Tubuais höchste Erhebung. Einziger Nachteil: Vom Start der Wanderung trennen uns zehn Kilometer Straßenhatscher. Also Daumen raus. Wenig später brausen wir mit Verna unserem Ziel entgegen.„Braucht Ihr Obst?“ fragt sie, als wir aus ihrem Geländewagen steigen. „Ja gerne!“ „Dann komme ich am Nachmittag zum Strand, wo Ihr ankert.“ Wir tauschen Telefonnummern aus. Gemächlich ansteigend folgen wir einer Forststraße durch Pinienwald. Nur die unerträgliche Schwüle erinnert daran, dass wir während der Regenzeit auf einer tropischen Insel herumspazieren. Weiter oben wird der Weg schmaler und führt über einen Kamm durch Farndschungel und Dickicht. Schweißgebadet stehen wir nach zwei Stunden Anstieg am felsigen Gipfel. Von oben bestätigt sich unser Eindruck: Tubuai ist nicht spektakulär, dafür lieblich und beschaulich.
Am Nachmittag ruft Verna an: „Könnt Ihr mich sehen? Ich parke am Ufer!“ Wir düsen mit dem Dingi an Land, und Verna kommt uns lachend mit zwei Bananenstauden entgegen. Als Draufgabe schenkt sie uns noch eine Schachtel voller Früchte! In diesem Moment spüren wir sie wieder: die typisch polynesische Großzügigkeit und Gastfreundschaft. Solche Begegnungen wärmen und berühren, sie sind das Salz des Reisens.
Unsere Ankerplätze in der Lagune von Tubuai:
Vor dem Anleger von Mataura:
23 Grad 20,398´Süd + 149 Grad 28,436´West, fünf Meter Wassertiefe, Sandgrund, schwellig und unbequem, mit dem Dingi kann man in den kleinen Bootshafen fahren
Anua, südlich des Flughafens:
23 Grad 22, 512´Süd + 149 Grad 31,818´West, vier Meter Wassertiefe, Sandgrund, türkise ruhige Lagune, Dingi lässt man am öffentlichen Strand