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Tanz übers Meer

veröffentlicht am: 19. Mai 2021 | Doris Renoldner

10. Mai 2021 - Lange haderten wir mit dem Entschluss, Französisch Polynesien zu verlassen. Sich über angestaute Ängste und frisch gestreute Bedenken hinweg zu setzen, kostete uns viel Überwindung.

Kann man in Pandemie Zeiten überhaupt in ein anderes Land reisen? Mit gutem Gewissen, ohne Skrupel, ohne Scham? 2000 Seemeilen trennen die Marquesas Insel Nuku Hiva von Big Island, Hawaii. Wir rechneten mit mindestens 14 Tagen auf See – quasi selbst gewählte Quarantäne - und hielten unseren Plan für risikoarm, also absolut vertretbar.

Die erste Nacht auf See war vieles nicht, aber immerhin jagten wir schnell durch die Dunkelheit, und dieser Schleudergang blieb uns die gesamte Strecke treu. Nomad preschte durchs Wasser, torkelte, rauschte durch die Pazifikwellen, das Meer schäumte und sprudelte. Was für ein himmelhoher Unterschied, ob man vor dem Wind segelt oder mit halbem Wind, gefühlter Am-Wind-Kurs, unterwegs ist.

Der Rhythmus, der uns bestimmte, beschränkte sich im Wesentlichen auf Segeln, Essen, Lesen, Schlafen. Klingt nach monotoner Askese. Ist es aber nicht. 2000 Seemeilen an der Basis. Fern aller eitlen Weltlichkeiten. Die Abwesenheit des Überflusses tat gut. Nichts, was uns ablenkte, nichts, was uns bedrängte oder überhäufte. 2000 Seemeilen Meer, Wolken, Himmel, Sonne, Sterne, Wind, Regen, fliegende Fische, Delphine. Die nackte Freiheit mit all ihren Gefahren, Sorgen und Rauschzuständen. Ehrfurchtgebietend und verzaubernd zugleich.

Der Moment, als ein junger Tölpel vorne am Anker landete, um sich auszurasten. Der Ärger, als unsere Gläser umkippten und sich der letzte, aufgesparte Schluck Wein in den Teller mit gebratenem Fisch ergoss. Oder der Morgen, der mit einem Knall begann, weil plötzlich der Bolzen der Autopilotaufhängung brach, und Nomad in den Wind schoss. Während ich das Steuer übernahm, fertigte Wolfi einen neuen Bolzen aus einer 12 Millimeter Gewindestange an. Dann die unermessliche Freude und Dankbarkeit, als der Autopilot wieder schnurrte. Oder der regnerische Nachmittag, als wir einen eineinhalb Meter langen Wahoo fingen, der uns eine Woche lang ernährte. Es waren Erlebnisse dieser Art, die alles umdrehten, die Blickwinkel verschoben und Perspektiven veränderten.

Wir können nicht ankommen, ohne loszufahren. Wir können das Land nicht schätzen, ohne das sichere Ufer zu verlassen. Jedes salzige Reffmanöver, jede lausige Nachtwache, jede Koch-Akrobatiknummer war diese Reise wert. Wir würden uns sofort wieder auf den Weg machen. Lossegeln, um die Erde zu entdecken und vielleicht auch ein bisschen uns selbst.

Fakten der Überfahrt:

22. April bis 06. Mai 2021

Von Nuku Hiva, Anaho nach Hawaii, Hilo loggten wir 2.076 Seemeilen und waren 14 Tage unterwegs.

Windverhältnisse: vorherrschend Ost bis Nordostwinde um die 20 Knoten, Böen bis 30 Knoten, Flaute und Regen in der ITC (Konvergenzzone)

Zwecks Komfort reduzierten wir die Segelfläche, soll heißen: die meiste Zeit segelten wir mit zwei Reffs im Großsegel und halb eingerollter Genua.

Durchschnittsetmal: 148 Seemeilen

Motor: 30 Stunden (auch zum Laden der Batterien)

Trailer


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