Skip to main content

Gen Süden

veröffentlicht am: 25. August 2022 | Doris Renoldner

25. August 2022 - Der Rest des Sommers ist noch nicht verbraucht, ein paar Wochen bleiben uns noch,

bevor es zurück nach Österreich, zurück in die Normalwelt geht. Das fühlt sich alles ein wenig seltsam an, und wenn ich daran denke, beginnt mein Nervenkostüm leicht zu vibrieren. Auf dem Boot gewöhnt man sich an Ruhe, Weite, Fernblick. Und an wenig Menschen.

Von Port Hardy, dem nördlichsten Punkt dieser Saison, segeln wir wieder nach Süden. Zunächst durch dichte, milchige Nebelbänke, die im hellen Sonnenlicht an Perlmutt erinnern. Die gefürchteten Yuculta Rapids, in denen bis zu acht Knoten Tidenströme sprudeln können, spülen uns zurück in den Sommer. Innerhalb weniger Seemeilen schnellt die Wassertemperatur von sechs auf achtzehn Grad. Wir wechseln von warmer Trainingshose samt Kapuzenpulli auf Shorts und kurzärmeliges T-Shirt. Die Nächte kommen uns unerträglich schwül vor. Doch wir genießen es auch, wieder Sonne auf der Haut zu spüren. Ferienstimmung überall. Die Häfen haben sich gefüllt. Boote über Boote. Wir kreuzen auf in leichten Winden, hangeln uns über glattes, rosagoldenes Meer gen Süden. Es gibt viele Inseln hier, viele Buchten, viele Segler. Für die Kanadier zählt die Gegend um den Desolation Sound zu einem der schönsten Segelreviere der Welt.

In der Tribune Bay auf der Insel Hornby spielt sich das Leben am Strand und im Wasser ab. Am Ufer Treibholz, bleiche Stämme, die Wind und Wellen an Land geschleudert haben. Kajakfahrer, SUP-Paddler, Sonnenschirme, Windzelte, Beachcomber, Schwimmer. Auch wir stolpern ins Meer, lassen uns von ihm auffangen und umarmen. Ich denke zurück an die Strandurlaube meiner Kindheit in Italien. Tagsüber baden, abends flanieren. Man zog sich was Schönes an und spazierte über die Promenade. Die Geschäfte hatten endlos geöffnet, irgendwo lief immer Musik, die Lokale voll mit Menschen. Das Flanieren fehlt hier. Sobald die Sonne im Meer versinkt, ziehen sich die Badegäste in ihre Häuser, Zelte, Wohnmobile zurück und gehen spätestens um 22 Uhr schlafen. Die Tribune Bay bietet keine zivilisatorischen Annehmlichkeiten wie lauschige Strandcafés, Restaurants, Altstadtgassen oder Ähnliches. Dafür großartige Ereignislosigkeit und abends unglaubliche Stille, die nur von den Schreien der Adler unterbrochen wird. Über uns ein weiter Himmel mit unzähligen Sternen. Geschenkte Momente voller Zauber. Keine Eile. Keine Zukunft. Nur Gegenwart.

Morgennebel in Hanson Island

Strand in der Tribune Bay, Hornby Island

 

 

Trailer


Du liest gerne unseren Reiseblog?
Unterstütze uns mit einer Spende oder werde ein Sponsor. Das Geld investieren wir in Ersatzteile für die NOMAD & in unsere Webseite.