2. September 2022 - Vor unserem Bug die Malibu Rapids, eine berüchtigte, tidengeplagte Meeresenge
und zugleich die Einfahrt zum „Heiligen Gral“ der Sunshine Coast. Geschmeidig schlüpft Nomad bei Stillwasser in den fantastischen Princess Louisa Inlet, bis zu 2000 Meter hohe Granitwände flankieren den vier Seemeilen langen Fjord. Es fühlt sich ein bisschen so an, als würden wir mitten durchs Hochgebirge schippern. Am Scheitel der Bucht ein rauschender Wasserfall und ein Steg, an dem man anlegen kann. Starker Sog, dichte Atmosphäre. Atemberaubend schön.
Wir sind zum zweiten Mal hier. Bereits 2019 bestaunten wir die berühmten Chatterbox Falls. Damals wollten wir unbedingt zu den auf knapp 1400 Meter Höhe gelegenen Loquilts Lakes wandern. Leider erwischten wir eine falsche Abzweigung und traten nach vielen Stunden den Rückzug an - ohne die beiden Seen je gesehen zu haben. Diesmal möchten wir die mystischen Gletscherseen finden. Der Märchenwald, durch den wir frühmorgens steigen, sieht unwirklich aus. Als würde grün gefärbte Zuckerwatte über den Ästen hängen. Es geht immerzu steil bergauf. Ich atme langsam, ich atme tief, wie eine, die das Atmen erst lernen muss. Meine Lungen werden wohlig mit Luft geflutet, die süßlich nach Zedern riecht. Zu Beginn ist der Weg mit bunten Bändern markiert, doch nach der Querung unterhalb des Wasserfalls bei der verfallenen Trappers Cabin verläuft sich die Spur. Wir klettern über eine steile Felsrinne, hangeln uns an Baumwurzeln hoch, gewinnen mühsam an Höhe, erreichen einen Bergrücken und stehen bald vor der ominösen Abzweigung. Dummerweise wieder ohne Karte, ohne GPS, ohne Routenbeschreibung. Siegessicher marschieren wir diesmal nach links weiter. Nach anstrengenden vier Stunden Aufstieg und fordernden 1200 Höhenmetern verliert sich plötzlich die Fährte. Wolf kraxelt eine kleine Schlucht hinunter, sucht nach Möglichkeiten, wie es weitergehen könnte, meint allerdings zerknirscht: „Ohne zu klettern, kommen wir hier nicht voran.“ Enttäuscht drehen wir auch dieses Mal um, ohne unser Wunschziel erreicht zu haben. In dieser Abgeschiedenheit wollen wir einfach nichts riskieren.
Zurück beim Boot, nach einer Dusche und einem Bier, löst sich alle Erschöpfung auf, wird zur Erinnerung. Wenig später taumeln drei junge Bergsteiger mit schweren Rucksäcken zum Steg. Sie erzählen, dass sie vier Tage in der Wildnis unterwegs waren und sogar bei den Loquilts Lakes campierten. Detailgenau erkundigen wir uns nach der Wegführung und begreifen, dass wir zu schnell aufgaben. Anscheinend übersahen wir in der Schlucht eine kleine Höhle, den Durchschlupf zu den Seen … Die geheimnisvollen Loquilts Lakes bleiben also weiterhin ein Sehnsuchtsort für uns. Ob wir es nächstes Jahr nochmals versuchen? Ich weiß es nicht. Eine Sehnsucht, die gestillt ist, ist ja bekanntlich keine Sehnsucht mehr.
Infos zum Princess Louisa Inlet:
Von Pender Harbour an der Sunshine Coast von British Columbia sind es 40 Seemeilen bis zu den Malibu Rapids. Muss man auf Stillwasser in den Rapids warten, kann man recht gut vier Seemeilen davor in einer kleinen Bucht ankern: Position: 50 Grad 06,61´Nord + 123 Grad 49,33´West, 11 Meter Wassertiefe
Am Ende des Princess Louisa Inlets gibt es einen Steg von Parks Canada, an dem man längsseits festmachen kann, weiters fünf Mooringbojen. Die Nacht am Steg kostet 20 kanadische Dollar, vor Mooring 10. Zum Ankern ist es eigentlich zu tief, außer man stellt sich sehr nahe zum Ufer und verwendet Heckleinen zum Land. Maximale Aufenthaltsdauer: 72 Stunden
Vier weitere Mooringbojen sind hinter Macdonald Island ausgelegt, ca. auf halben Weg zu den Chatterbox Falls.
links: Nomad am Steg vor den Chatterbox Falls, rechts: Tiefblick in den Princess Louisa Inlet