Das Leben schert sich bekanntlich wenig um die Herausforderungen, die es uns stellt.
Es passiert einfach und schaut uns dann dabei zu, wie wir reagieren. Zum Beispiel wenn wir uns gegen Wind und Strömung durch enge Kanäle quälen oder wenn der Sicherungsschalter der Ankerwinde zerbröselt oder beim mühsamen Einklarieren in Friday Harbor, Insel San Juan, USA. Eines habe ich in 34 Jahren Fahrtensegeln gelernt: Es reicht nicht vom Schlimmsten auszugehen. Man muss mit dem Unvorstellbaren rechnen. Um Zollprobleme in Kanada zu vermeiden, mussten wir kurz in die USA ausreisen. Nie und nimmer hätte ich gedacht, dass wir mit einem neuen B1/B2 Visum Schwierigkeiten bei der Einreise in die Vereinigten Staaten bekommen würden. Wolf und ich saßen zwei Stunden im Zollbüro und wussten nicht, was das Problem war. Ich hatte mehr Fragen als Antworten in meinem Kopf, ich hatte plötzlich überhaupt nur noch Fragen. Sekunden vergingen wie Stunden, vielleicht war es auch andersherum, von einer Zeit des Wartens wünscht man sich nur, dass sie endet. Nach einer gefühlten Ewigkeit knallte uns ein Zollbeamter zwei Zettel samt Kugelschreiber vor die Nase und meinte, dass wir diese ausfüllen sollten. Das machten wir umgehend und warteten weiter. Schließlich fand auch unsere Geduld ein Ende, und wir fragten eine Beamtin, die hinter einer Glaswand saß, wie es denn jetzt weitergehe. „You are good!“, antwortete sie und deutete Richtung Tür. Ohne Stempel im Pass, ohne Bestätigung, dass wir offiziell einklariert waren, schlichen wir verwirrt retour zum Hafen. Am nächsten Tag landete tatsächlich ein Cruising Permit in unserem E-Mail-Account, gültig für ein Jahr. Manchmal kommt es halt anders als man denkt.
Von den San Juan Islands ging es zurück nach Vancouver Island, Kanada, wo unsere Nomad ebenfalls eine neue, einjährige Aufenthaltsgenehmigung erhielt. Nun sind die Pferde gesattelt, und wir reiten nach Norden, Haida Gwaii entgegen. Wir fädeln uns Meile für Meile durch das Insellabyrinth, leben mit der Tide, versinken in Strömungstabellen und hoffen auf Südwind, obwohl derzeit nur der Nordwestwind bläst. Beim ersten Büchsenlicht fuhren wir heute raus in die Johnstone Strait. Diese Wasserrinne von 40 Meilen Länge und knapp 500 Meter Tiefe zwischen Vancouver Island und dem Festland vorgelagerten Inseln ist als Windfang verschrien. Doch der heutige Morgen zeigte sich nur wolkenverhangen und windstill. Wolf reichte mir eine dampfende Schüssel Porridge ins Cockpit. „Ist gut gegen die Müdigkeit, gut gegen den Hunger, einfach gut gegen alles.“, meinte er lächelnd. Tja, gut gegen alles ist wohl das, was wir alle brauchen.
Bild ganz oben links: Morgenstimmung in Vancouver; Bild oben: Gegenwind im Chancelor Channel