Reisen kann verblüffend unspektakulär sein. Zwei Wochen in San Diego liegen hinter uns, eine noch vor uns.
Warum bleiben wir hier so lange? Nicht, dass uns die Stadt so begeistert, es sind die nie enden wollenden Bootsprojekte. Als erstes lassen wir unsere Ocean Safety Rettungsinsel warten. Das braucht Zeit und kostet mehr als wir vor acht Jahren dafür bezahlten. Dann beginnen wir, die 12 Jahre alten Solarpaneele vom Deck zu reißen, dabei löst sich auch die Decksfarbe bis aufs blanke Aluminium. Was wiederum bedeutet: Flexen, schleifen, zweimal Primer und dreimal Farbe pinseln – dauert insgesamt eine Woche. Weiters ein paar Kabel unter dem Plafond verlegen, Löcher ins Deck bohren, größere Bus Bars (elektrische Sammelschienen) montieren und endlich die neuen Solarmodule (Solara Power M) aufs Deck kleben. Zwischendurch tauschen wir die Tridata-Anzeige, damit wir wieder eine Bootsgeschwindigkeit ablesen können und arbeiten weiter am Einbau des Wassermachers (Schenker Zen 30). Und endlich finden wir ein neues Dingi (Achilles LEX-96), das stabil genug und nicht zu schwer ist und auf unsere Plattform passt. (Die Dingi-Odyssee-Vorgeschichte könnt Ihr in meiner Kolumne der Dezember Ausgabe der Yachtrevue lesen!) Nicht zu vergessen: unzählige Bestellungen und Besorgungen in Hardwarestores und bei Bootsausrüstern – aber das ist eine andere Geschichte. Ganz normaler Fahrtensegleralltag in der zweitgrößten Stadt Kaliforniens. Die Millionenmetropole punktet nicht nur mit Dauer-Sonnenschein, sondern auch mit Dauer-Lärm. San Diego ist voll wie eine Sardinendose. Über die Highways rollen Verkehrslawinen, als würde die Stadt täglich evakuiert werden. Hinzu kommt das dauernde Dröhnen der Militärflugzeuge und Hubschrauber gewürzt mit dem Tak-Tak-Tak der Maschinengewehrsalven des hiesigen Marinestützpunktes.
Wir wechseln alle paar Tage den Liegeplatz. In San Diego kann man nicht einfach irgendwo in der großen Bucht ankern. Es gibt ausgewiesene Mini-Ankerplätze wie zum Beispiel La Playa oder die Glorietta Bay, wo man maximal 72 Stunden in einem Stück ankern darf. Dafür braucht man eine Genehmigung, die man nur dreimal pro Monat erhält. Anlegen kann man am Guest Dock (Police Dock); hier darf man 15 Nächte innerhalb von 40 Tagen bleiben, buchbar online im Voraus. Für unsere Nomad (41 Fuß) zahlen wir 53 Dollar pro Nacht. Wozu all diese Restriktionen? Ganz klar: Permanente Ankerlieger sind nicht nur in San Diego, sondern in ganz Kalifornien ein rotes Tuch. Man will sie loswerden. Berthold Brecht soll einmal gesagt haben, dass die Welt nicht schlecht, sondern voll ist. Unsere heutige Welt ist auf jeden Fall übervoll, dito die Welt der Segler.
Bild links oben: NOMAD vor Anker am La Playa Anchorage, Bild oben: Coronado Beach
Derzeit schwojt Nomad in der Glorietta Bay, ein kuschelig enger Ankerplatz, bequem könnte man zum Nachbarboot übersteigen. Am frühen Abend spazieren wir am breiten, weitläufigen Coronado Beach, schauen der Sonne zu, wie sie hinterm Horizont verschwindet und alles in ein bernsteinfarbenes Zauberlicht taucht. Was mir von Kalifornien in Erinnerung bleiben wird, sind donnernde Brandung, ruppiges Küstensegeln, schaukelige Ankerplätze und vollgestopfte Häfen. Aber das größte Geschenk Kaliforniens ist sein magisches Licht. Eine verschwenderisch gewährte Gabe. Einzigartig, delikat, durchsichtig, beinahe dreidimensional, ein Licht wie eine Welle, die einen davonträgt. Vielleicht ist das Licht sogar das Geheimnis von Kalifornien, der Schlüssel seines Zaubers.
Infos San Diego:
Ankerplätze und Guest Dock kann man online reservieren: www.reservations.portofsandiego.org
Natürlich gibt es auch zahlreiche Marinas und Yachtclubs in San Diego, meist sind sie jedoch über Monate im Voraus ausgebucht. Wir fanden für eine Woche einen Liegeplatz in der Chula Vista Marina, ganz hinten in der Meeresbucht, fast schon in Mexiko…
Marina Chula Vista - fast schon in Mexiko!