Aller Anfang ist schwer, aber manch einer ist einfach nur brutal. Brutal heiß und stickig.
Wir sind nach drei Jahren zurück in den Tropen, und unsere Körper dampfen in der schwülen Hitze. Geschuldet dem Wetterphänomen El Niño plus Klimawandel. Wir messen unglaubliche 31 Grad Celsius Wassertemperatur. Nach fordernden 19 Tagen nonstop auf dem Meer landeten wir auf den Marqueas Inseln, sechs bewohnte und ein paar unbewohnte Eilande, die zu Französisch Polynesien gehören. Gestirne im Ozean, deren Namen wie Zaubersprüche klingen: Nuku Hiva, Ua Huka, Ua Pou, Hiva Oa, Tahuata, Fatu Hiva.
Zusammen mit 60 anderen Booten ankern wir in der großen Bucht von Taiohae (Nuku Hiva), in deren Rücken die Berge wie ein Amphitheater aufsteigen, bedeckt mit Palmen und Brotfruchtbäumen, gefiederten Akazien und wildem Hibiskus. Flamboyant, Tiare, Frangipani, Mangobäume. Die Natur zeigt sich derart großzügig, dass es an Verschwendung grenzt. Ich muss schlucken, so sehr rührt mich, dass wir zum vierten Mal in der Südsee sind. Die Polynesier sprechen immer noch ein rollendes Französisch, langsam und lieblich wie sie selbst. Sie nehmen das Leben ohne Fragen und wundern sich über die Ereignisse draußen in der Welt.
Taiohae ist das Verwaltungszentrum der Marquesas mit Spital, Bank, Post, Gendarmerie, einigen Supermärkten und circa 2000 Einwohnern. Aus unerfindlichen Gründen läuft der Ozeanschwell meist ungehindert in die weite Bucht und sorgt für wildes Geschaukel am Ankerplatz. Nach vier Tagen reicht uns das Getorkel, und wir verholen uns in die nur fünf Seemeilen entfernte Baie du Controleur. Hier liegen wir in einem tief einschneiden Fjord aus grünem Samt vor Anker. Taipivai ist wunderschön und bekannt durch Hermann Melvilles Roman „Typee“. Herman Melville, der Seefahrer, der große Erzähler der Südsee, der Schöpfer von Moby Dick! Jener Mann, der nach erstem Ruhm als Zollinspektor in der Versenkung endete und erst Jahrzehnte nach seinem Tod als einer der größten Autoren der Weltliteratur gefeiert wurde. Im Juli 1843 desertierte Hermann Melville in Nuku Hiva vom Walfängerschiff „Acushnet“ und fand Gastfreundschaft und Hilfe bei den Einheimischen. Einen Monat weilte er im Dorf der Typees und wurde später als „der Mann, der unter Kannibalen lebte“ berühmt.
Wir wollen uns Paeke, eine archäologische steinerne Kultstätte ansehen, scheitern aber am viel zu schlammigen Pfad im Gewirr von Pandanuspalmen und Riesenfarnen. Die letzten Tage hat es oft und stark geregnet. Gräser und wilde Orchideen dampfen in der Feuchtigkeit, ein erdiger Geruch hängt schwer in der Luft. Bis zu den Knöcheln versinken wir im Matsch, rutschen wie auf Schmierseife herum. Obwohl wir uns mit Unmengen Insektenmittel eingesprüht haben, malträtieren uns die Moskitos. Ohne Paeke gesehen zu haben, treten wir den Rückzug an, stärken uns in einem Supermarkt mit Bananenkuchen und Cola und balancieren bei Niedrigwasser über glitschige Steine retour zum Dingi. Ich bin einen Moment unaufmerksam, rutsche aus und kegle mir das linke vordere Daumengelenk aus. Wolfi reagiert schnell, zieht meinen Daumen in die Länge und plopp ist er wieder eingerenkt. Heute ist mein Daumen blau und aufs Doppelte angeschwollen. Warum ich das erzähle? Weil auf einer Reise wenig bis gar nichts nach Plan läuft. Weil schnell etwas verrutschen kann, weil Dinge passieren, mit denen man nie und nimmer rechnet. Wie Wolfis eitriger Zahn knapp vor unserer geplanten Abreise aus La Paz oder Montezumas Rache, die uns erwischte, als wir von Mexiko bereits ausklariert hatten. Oder der kleine Riss am Vorstagterminal, den wir erst am letzten mexikanischen Ankerplatz entdeckten und trotzdem entschieden, mit diesem Handicap über den Ozean zu segeln. Jeden Tag lernen wir aufs Neue, mit völlig unerwarteten Situationen umzugehen, uns den Gegebenheiten anzupassen, einen anderen Plan zu fahren.
Wir grüßen Euch mit einem Kaoha Nui (Hallo auf marquesanisch) aus der immer noch traumhaft schönen, wenn auch unglaublich heißen Südsee und hoffen, dass bei Euch alles in der Spur läuft.
Einklarierungstipp für Französisch Polynesien:
Man kann bereits im Voraus online ein Formular ausfüllen: https://www.demarches-simplifiees.fr
Wenn man das Dokument abschickt, erhält man eine Dossier Nummer, diese braucht man bei der Gendarmerie zum Einklarieren plus Pässe. Herrlich einfach und unkompliziert!