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Noch einmal Atuona

veröffentlicht am: 26. Mai 2024 | Doris Renoldner

Auch das gehört zum Segeln: Nomad braucht dringend einen neuen Unterwasseranstrich.

Seit Mexiko müssen wir mindestens alle zwei Wochen Muscheln abscheren und Bewuchs wegputzen. Unser Schwertkasten ähnelt einem Riff, wo Austern samt einer Garnele siedeln und allerlei Zeug, das wir nicht beim Namen kennen. Auf Hiva Oa gibt es zum Glück die Möglichkeit, Nomad für ein paar Tage an Land zu stellen. Vor acht Jahren eröffnete der Franzose Vincent in Atuona (Baie Tauhaku) die kleine Werft MMS, die auf Anhieb viel Zuspruch fand, denn an der Infrastruktur für Yachten hat sich in Französisch Polynesien seit unserem ersten Besuch 1995 nicht viel getan. Jeder neue Hafen, jede neue Marina, jede neue Werft wäre hier binnen kürzester Zeit knallvoll. Doch die Polynesier interessiert das alles nicht, sie jammern eher über die jährlich steigende Anzahl an Yachten.

Nomad wird mit einem Trailer an Land gezogen, bekommt dabei ein paar Kratzer ab und den letzten freien Platz am Werftgelände. Häufige Regengüsse verwandeln den Boden unter dem Schiff schnell zu rutschigem Matsch, was das Arbeiten mühsam macht. Zur Aufmunterung krähen Hähne, gackern Hühner, streifen Katzen rum, die emsig Ratten und Mäuse fangen. Ein Pferd weidet hinter Nomads Heck unter einem Papayabaum. Trotz schweißtreibender Hitze und unzähligen Moskitos packen wir ordentlich an: Wir reinigen das Unterwasserschiff, primern die vom Trailer beschädigten Stellen, bringen zwei Unterwasseranstriche an, vergrößern einen Borddurchlass, setzen ein neues Ventil ein, drehen die Ankerkette um. Weiters nehmen wir die Genua runter, schieben die Rollanlage ein Stückchen hoch, um den Vorstag-Terminal genau inspizieren zu können und sind heilfroh, als sich der verdächtig kleine Riss nur als Delle der Walzung herausstellt! Halleluja! Nach nur sechs Tagen schwimmt Nomad wieder, und wir sind müde und erschöpft.

MMS Werft mit Blick über die Bucht von Tahauku

Ich kann es gar nicht beschreiben, aber es fühlt sich seltsam an, wieder in Atuona zu ankern. Ein bisschen wie Zeitmaschine mit starken Emotionen, denn hier erlebten wir 2020 den 50 tägigen Corona Lockdown. Lange her, aber in meiner Erinnerung nicht weit entfernt. Was ist inzwischen nicht alles geschehen! Wie hat sich die Zeit doch über vieles gelegt!

Beinahe schon ein Ritual: Sind Wolf und ich in Atuona, spazieren wir rauf zum malerischen Friedhof und besuchen die Gräber von Jacques Brel und Paul Gauguin. „Stehen wir hier zum letzten Mal?“, frage ich mich. Nichts, aber auch gar nichts, kann dich auf so einen Moment vorbereiten. Natürlich sind wir dankbar, dass wir zum vierten Mal in der Südsee segeln. Aber wir spüren auch, dass sich ein fünftes Mal vermutlich nicht mehr ausgehen wird. Dieser Gedanke kann dich zerreißen. Aber er kann dich auch auf eine seltsame Art und Weise zufrieden machen. Es geht jetzt nicht mehr so sehr um das, was war oder um das was kommt. Es geht nun vielmehr um das, was ist. Tja, vielleicht muss man vier Mal nach Französisch Polynesien segeln, um zu begreifen, wie wertvoll jede Sekunde ist.

Beim Grab von Paul Gauguin am Friedhof von Atuona

 

Trailer


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