Wir können Dinge richtig oder falsch machen. Wir können gute oder schlechte Entscheidungen treffen. Doch wie interpretiert man in Zeiten des Klimawandels horoskopartige Wettervorhersagen, die sich täglich ändern?
Man kann man sich auf nichts mehr verlassen, schon gar nicht auf Computermodelle. Wolf lädt die neuesten Gribfiles runter und meint: „Da braut sich etwas zusammen. Ein Trog samt einer tropischen Depression zieht Richtung Tonga.“ „Wie stark wird der Wind?“ frage ich nervös. „Ich sehe hier maximal 45 Knoten, aber Du weißt ja wie unberechenbar die Tropen sind, da kann schon mal was verrutschen. Die Gewitterböen werden sicher heftiger ausfallen.“ Wir sind gebrannte Kinder. Vor wenigen Monaten ankerten wir in Tahanea - in den Tuamotus - auf der falschen Atollseite, weil wir dem Wetterbericht blindlings vertrauten, standen dann stundenlang bei gut 40 -50 Knoten Wind auf LegerwalI und bangten um unser Schiff. So eine Situation möchten wir nicht nochmals erleben. Aus diesem Grund beschließen wir, schnellstmöglich zu einem rundum geschützten Ankerplatz zu fahren. Doch den gibt es in der gesamten Haapai Gruppe nicht.
Bleibt einzig, retour zum Vava´u Archipel zu segeln, 70 Seemeilen im Nordnordosten von uns. Frage mich, wie sich wohl die anderen Segler entscheiden werden. Bleiben oder fahren? Schlechte Karten haben jene Yachten, die bereits weiter im Süden in Tongatapu oder gar im Minerava Riff ankern, genau in der Zugbahn des Mistwetters. Bereits um 03:00 Uhr Früh lichten wir Anker und verlassen Pangai. Eine leichte Brise schiebt uns im Lee der Haapai Inseln über flaches Wasser. Wir segeln allein durch die dunkle Nacht. Erst als wir im Morgengrauen den offenen Pazifik erreichen, sehen wir andere AIS Signale am Plotter. Letztendlich fahren wir im Konvoi von gut 20 Schiffen. Alle auf der Flucht vor dem Schlechtwetter. Herrlicher Seitenwind bläst uns in zwölf Stunden zurück ins verzweigte Inselgewirr von Vava´u. Kurz vor der Ankunft in Neiafu beginnt der Wettlauf um die letzten freien Mooringbojen. Gott sei Dank ergattern wir noch eine, denn der riesige Naturhafen gilt zwar als Hurrikanhole, hat jedoch den Nachteil, dass er meist zu tief (über 25 Meter) zum Ankern ist.
Das tropische Tief rückt näher, doch es ändert – Halleluja! - seine Zugbahn zu unseren Gunsten. Der Wetterbericht spricht von fünf Meter Seegang im Süden der tongaischen Inseln und gibt eine Sturmwarnung für Tongatapu und die Haapai Gruppe heraus. Bin heilfroh, dass wir in Neiafu einen guten Unterschlupf gefunden haben. Besser einmal zurücksegeln als ein Risiko eingehen. Wie beim Bergsteigen. Im Zweifelsfall umdrehen. Solche Entscheidungen zu treffen, ist nie einfach. Aber was ist schon einfach im Leben? In der Nacht ziehen Starkwindböen samt sintflutartigem Regen über uns, Blitze erhellen den Himmel. Alles in der Kajüte fühlt sich nass und klamm an, nichts trocknet mehr. Doch jedes schlechte Wetter geht einmal vorbei. Dann wollen wir aufbrechen gen Süden und die letzte große Etappe für dieses Jahr in Angriff nehmen: Die Fahrt nach Neuseeland.