Gut Ding braucht Weile. Und eine schwierige, 1200 Meilen lange Seereise erst recht. Seit Tagen dieses komische Gefühl im Bauch: Wann kommen wir hier endlich weg?
Schon zwei Mal feierten wir im Opua Yacht Club den „letzten“ Abend in Neuseeland und fuhren tags darauf doch nicht los. Beim Zoll verschieben wir ebenfalls ständig unseren Ausklarierungstermin. Warum? Weil sich das Wetter schneller ändert als wir Gribfiles downloaden können. Ein paar Ungeduldige sind trotz suboptimaler Bedingungen gestartet und erleben draußen Waschmaschine mit Schleudergang. Wir brauchen den Adrenalinkick nicht und müssen uns auch nichts mehr beweisen. Viel mehr meiden wir Starkwind, hohen Seegang und hoffen immer noch auf eine angenehme Überfahrt zurück in die Tropen. Gut 40 Boote warten mit uns auf ein passendes Wetterfenster, um nach Tonga, Fidschi oder Vanuatu zu segeln.

Terrible weather this year, meint Charly, die nette Marina-Angestellte. Auf der Südhalbkugel klopft Mitte Juni der Winter an die Tür, überall blühen Weihnachtssterne, Kamelien, Schilfgras wiegt sich im Wind. „Regentag“ nannte Friedensreich Hundertwasser sein Schiff, weil er Regentage so gerne mochte. Eine gute Voraussetzung, fast ein Muss, wenn man wie Hundertwasser 25 Jahre in Neuseeland lebt, denn es regnet hier verdammt oft. Das neue Hundertwasser Art Center haben wir leider nicht besucht, auch sonst keine Sehenswürdigkeiten. Dafür kennen wir alle Bootsausrüster und Baumärkte zwischen Whangarei und Opua und sind mit den Angestellten der nautischen Läden quasi „best friends“.
Wenn die zarte Wintersonne die Marinastege in ein Zauberlicht taucht, sind die Abfahrtssorgen schnell vergessen. Dann macht sich das erregende und erfüllende Gefühl des Aufbruchs breit. Wir geben natürlich etwas auf. Den Komfort der Marina, die heißen Duschen, den Heizstrahler, das ständig zur Verfügung stehende Internet. Unser Leben wird von Algorithmen bestimmt. Sie berechnen, wie wir leben, wie wir reisen sollen, wollen. Sie beantworten die wichtigsten Fragen – die an uns selbst. Und oft verwechseln wir die Berechnungen mit unserem Denken. Ich freue mich darauf, das Denken wieder zurückzuerobern. Ich will mit eigenen Augen sehen und nicht fragen: Wie ist es in Fiji? In Vanuatu? Auf den Solomon Islands? Ich will dorthin, will fühlen, will spüren.
P.S.: Wehmut, wenn wir an den Abschied von Neuseeland denken. Wahrscheinlich ein Abschied für immer, denn so schnell segeln wir nicht mehr ins Land der Kiwis. Kia Ora Aotearoa!
