Jeder Start zu einer längeren Ozeanetappe löst bei mir emotionalen Stress aus. Warum? Weil wir älter geworden sind und manches nicht mehr so leicht fällt.
Es gibt mittlerweile sehr viele sehr gute Gründe, das Hirngespinst „Um-die-weite-Welt-segeln“ bleiben zu lassen. Fragen zischen durch meinen Kopf: Haben wir unsere Hausaufgaben erledigt? Was könnten wir alles vergessen haben? Wird die Überfahrt anstrengend? Mühsam? Fordernd? Mag sein. Trotzdem lösen wir am 21. Juni 2025 die Leinen in der Marina von Opua und steuern raus in den Pazifik.
Ein letzter Blick auf die Bay of Islands, ein letzter auf Neuseeland, und schon segeln wir mit Großsegel und ausgebaumter Genua nach Nordnordost. In der achterlichen Dünung übt sich Nomad in einer ansehnlichen Berg- und Talfahrt. Sie beginnt zu rollen, zu gieren und schlingert um sämtliche Achsen. Schnell ist es wieder da, dieses grausame Gefühl, dass im Kopf und Körper nichts mehr an seinem Platz bleiben wird: Kopfschmerzen, Schwindel, unerträgliche Übelkeit. Ich liege unten im Salon und werde das Gefühl nicht los, dass unser Boot für den langen Schlag nach Fidschi mehr als bereit ist. Ebenso mein Kapitän. Aber was ist mit mir? Drei Tage später hat sich mein Körper an den aufgewühlten Ozean gewöhnt, doch kochen, abwaschen, Zähne putzen, aufs Klo gehen gleicht immer noch einer Akrobatiknummer. Der schaukelige Raumwindkurs wurde mittlerweile von einem kräftezehrenden Halbwindkurs abgelöst. Meine Stimmungsschwankungen sind enorm, entweder Euphorie oder Selbstzweifel. Eigentlich absurd: An Land vermisse ich die See – und auf See vermisse ich das Land.

An manchen Tagen auf dem Pazifik beleuchtet die Sonne aufgebrachte Wassermassen, und Nomad tanzt über eine chaotische Hügellandschaft. Blaue Wasserberge fließen dann unter dem Rumpf hindurch, heben uns an und senken uns wieder. An solchen Tagen fegt meist ein strammer Wind in die gerefften Segel, und wir bewundern fasziniert das zerzauste Meer. So eine achttägige Überfahrt kann erbarmungslos sein. Sie gönnt dir keine Atempause, sie testet ständig dein Durchhaltevermögen. Die Hürden sind hoch, die Risiken zahlreich, Fehler sehr gut möglich. Doch der größte Fehler wäre, nicht von Neuseeland losgesegelt zu sein.
Fakten unserer Reise von Opua (Neuseeland) nach Denarau (Fidschi):
Distanz: 1143 Seemeilen
Dauer: 8 Tage
Vorherrschende Windrichtung: Ost, maximaler Wind: 35 Knoten
18 Breitengrade von 35 Grad Süd bis 17Grad Süd
5 Schiffe gesichtet, 3 Bücher gelesen, 1 Bonito gefangen