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I´ve got the blues

veröffentlicht am: 11. November 2025 | Doris Renoldner

Das Ende dieser Segelsaison ist da, und ich empfinde Wehmut. Vor einer Woche sind wir in Australien angekommen

und seitdem werde ich den „Ende-der-Reise-Blues“ einfach nicht los. Bei mir kommt Wehmut immer dann auf, wenn ich zurückblicke. Ein Gefühl, wenig rational, eher wie ein lauter Seufzer: Ach! Wir Menschen tendieren eher dazu, lieber nach vorne zu schauen. Anfänge sind meist aufregender als Enden. Aber das Reflektieren lohnt sich. Aufräumen sorgt für Klarheit, auch im Kopf. Nur wenn ich etwas gut abschließe, kann ich in etwas Neues eintauchen.

Begegnung auf der Insel Pentecost, Vanuatu

Ich blättere im Logbuch und spüre den Ozean immer noch in mir. Die letzte Überfahrt von Vanuatu zur Ostküste von Australien war etwas holprig. Entweder zu wenig Wind mit nervtötenden, schlagenden Segeln oder tief hängende, dunkle Wolkentürme, die heftige Gewitter und Sturmböen brachten. Zweimal auf dieser gut 1000 Seemeilen langen Fahrt drehten wir in der Nacht bei, schalteten jegliche Elektronik ab und hofften, dass die Blitze uns verschonten. Auf dem Meer bestimmt das Wetter fast alles, unser Vorankommen, unsere Manöver, unsere Stimmung. Ozeanpassagen fordern ununterbrochen unsere ganze körperliche und geistige Wendigkeit, sie pumpen uns voll mit existenziellen Erfahrungen, sie lassen uns Gefahren und Glücksmomente erleben, die man an Land nicht kennt. Es gab aber auch Genusstage, an denen Nomad mit sanftem Wind übers glatte Meer glitt, das Wasser leise an der Bordwand schmatzte und eine flache, kaum spürbare Dünung uns hob und senkte. Dann spürten wir den Pulsschlag des Ozeans.

Traumankerplatz vor der Insel Pele, Vanuatu

Sich jetzt hinsetzen und zurückzublicken auf das, was wir in den vergangenen sechs Monaten erlebt haben, mit allem, was uns begeistert und was an uns gezehrt hat, ist also keine Kleinigkeit. Die Wehmut, die mich dabei anhaucht, ist es auch nicht. Denn wir haben intensive Erfahrungen gemacht, die in uns haften geblieben sind. Wir sind von Neuseeland über Fidschi und Vanuatu nach Australien gesegelt und haben dabei 4.000 Seemeilen im Kielwasser gelassen. Wir haben die Schönheit eines Morgens auf See erlebt, im Türkisen geankert, das Comeback der Einfachheit genossen, das Rauschen des Windes gehört und Herzenswärme erfahren. Wir haben sechs Monate das Meer inhaliert wie eine starke, filterlose Zigarette. Haben Trauminseln gesehen, Menschen getroffen, Abenteuer gefunden. Und ich glaube, all das sollten wir mal feiern, bevor wir unsere Nomad wieder an Land stellen, die Segel wegpacken und den Niedergang für die nächsten fünf Monate abschließen. Ist doch gar nicht so schlimm, dieses Saisonende. Wirklich nicht!?

Links: Wolfi bringt Besuch an Bord auf der Insel Epi in Vanuatu; rechts: Kinder begleiten uns beim Spaziergang auf der Insel Pentecost, Vanuatu

 


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