Richtungswechsel

8. Oktober 2020 - Die Südsee ist gnädig mit Klischees. Immer ist eines in der Nähe. So wie das legendäre Bora Bora. Obwohl kaum mehr als ein grüner Tupfer im Ozean, steigert sich hier die Szenerie ins Dramatisch-Mythische.

Bora Bora ist die unendlich langsam im Meer versinkende Caldera eines einst mächtigen Vulkans, umgeben von einem Saumriff, auf dem Stürme und Strömungen im Laufe von Äonen zahlreiche kleine Inseln, Motus, aufgeschüttet haben. Schlicht der Inbegriff aller Südsee-Romantik. Wir steuern durch den Teavanui Pass, die einzige Riffdurchbrechung von Bora Bora, in die blau schimmernde Lagune. Vor dem Yacht Club schnappen wir uns eine Mooringboje, denn in ganz Bora Bora gilt seit Neuestem Ankerverbot, eine Folge von Overtourismus. Francis vom Mooring Service zischt mit dem Motorboot herbei, erklärt uns die Situation anhand eines Plans, parliert perfekt Englisch, nimmt den Müll mit, kassiert und überreicht uns lächelnd den Beleg: „Here is your ticket to paradise!“ Eine Nacht an der Boje kostet 3000 CPF (ca. 30 U$ Dollar), wir gönnen uns zwei. Der Grund warum wir hier sind, heißt Mont Pahia, der zweithöchste Gipfel der Insel, 661 Meter hoch, kantig, zerklüftet, schroff, fast senkrecht aufsteigend. Da müssen wir unbedingt rauf.

Selten ist der Weg auf einen Berg ein Spaziergang, nicht mal in der Südsee. Der Pfad zieht durch dicken Dschungel steil bergauf, dann queren wir unter einer Felswand bis zu einer Steilrinne, in der Fixseile hängen. Hitze und Schwüle machen uns mürbe. Wir klettern, wir ziehen uns hoch, Schweiß fließt in Strömen. Nach knapp zweieinhalb Stunden stehen wir am Vorgipfel, dem Mont Ohue. Wem der Anstieg bis hierher schwer fällt, sollte lieber nicht weitergehen, denn die folgende Gratüberschreitung mit einer markanten Kletterstelle (ausgesetzte Felswand mit Seil) kann man eigentlich nicht mehr als Wanderung bezeichnen. Dafür entschädigt das 360 Grad Panorama vom Mont Pahia für alle Mühen und Anstrengungen. Ein Gefühl von Zufriedenheit macht sich breit, wie immer wenn innere und äußere Welt einen Moment lang in Deckung kommen.

Am nächsten Morgen segeln wir 30 Seemeilen weiter zur Nachbarinsel Maupiti. Wir tauchen ins Damals ein, erinnern uns an den Juli 2006, als uns schlechtes Wetter und hoher Seegang den Landfall vereitelten, und wir schlussendlich bis Penrhyn, Cook Islands, weitersegelten. Statt der geplanten sechs Stunden waren wir damals sechs Tage unterwegs. Diese Option gibt es 2020 leider nicht, denn in Zeiten von Covid und begrenzten Reisemöglichkeiten haben die Cook Islands längst dicht gemacht. Zum Glück läuft diesmal alles entspannt ab, wobei der Pass Onoiau immer für Aufregung sorgt. Gegen drei Knoten auslaufenden Strom motoren wir zwischen hohen Brechern in die schmale, gewundene Riffpassage. Wir folgen dem Fahrwasser und ankern im Türkisen vor dem kleinen Dorf Vaiea. Idyllisch, weltentrückt und ein letzter Außenposten von Französisch Polynesien. Für uns ist Maupiti der westlichste Punkt unserer diesjährigen Pazifik-Reise im verrückten Covid-Jahr. Weitersegeln funktioniert nicht, da die anderen Inselstaaten bis auf weiteres unerreichbar bleiben. Mit einer Ausnahme: Fidj. Aber das liegt für unseren Geschmack zu nahe an der Zugbahn der Hurrikans. Von Maupiti geht es also wieder retour nach Osten, gegen den vorherrschenden Passat, gegen Wellen und Strömungen. Auch wenn wir nur in Französisch Polynesien unsere Kreise ziehen dürfen, fühlt sich das „von-Insel-zu-Insel-Segeln“ extrem gut an. Es ist der Stillstand, der uns Segler runterzieht.

Tipps Maupiti:

Ankerplatz vorm Dorf Vaiea: 16 Grad 26,807´Süd + 152 Grad 14,645´West, fünf Meter Wassertiefe, gut haltender Sandgrund. Das Dingi kann man praktisch an einem Schwimmsteg vor dem Gemeindezentrum festmachen, Post, kleine Läden, gratis Wifi.

Natürlich gibt es auch wieder einen Inselberg mit toller Aussicht: Mont Teurafaatiu, 380 Meter hoch. Weg beginnt an der Hauptstraße bei Treppen, ist super markiert und super sonnig, früh starten lohnt sich!