North to Alaska

24. Juli 2021 - Die Hanalei Bucht an der Nordseite der Insel Kauai ist der schönste und entspannteste Ort, den wir auf Hawaii besucht haben.

Dennoch wächst nach einer Woche die Unruhe, an den nächsten Schritt zu denken. Unser Plan fühlt sich ein bisschen seltsam an, fast abstrus. Es zieht uns in den Norden, in die Wildnis Alaskas.

Wir starten mit herrlicher Brise aus Ost. Delphine umspielen Nomads Bug und eskortieren uns aus der Bucht. Bin ruhig und zuversichtlich, obwohl die neu eingebaute Logge noch immer keine Geschwindigkeit am Display anzeigt. Dass wir aber plötzlich keine Mails über das Satellitentelefon versenden oder empfangen können, bringt mich doch aus dem Gleichgewicht. Sowohl das alte Axcess-Point Modem als auch das Iridium Go verweigern ihren Dienst. Es ist zum wahnsinnig werden, weil wir daher auf dieser heiklen Strecke keine Gribfiles-Wetterdaten erhalten. Zum Glück klappt SMSen mit dem alten Iridium-Telefon. Wer erinnert sich noch, wie das mit den allerersten Handys funktionierte? Um einen Buchstaben oder eine Zahl zu tippen, muss man bis zu fünfmal auf eine Taste hämmern. Aber wie heißt es so schön? Hopp oder tropp. Ein großes Dankeschön an dieser Stelle an unsere Freunde Kudi und Reini, die uns täglich Wetterberichte texten. Auch an die holländische Yacht Zouterik, die zwei Tage vor uns von Hanalei lossegelte. Diese Nachrichten sind für uns unglaublich wichtig und nervenberuhigend.

Die erste Woche feinstes Champagner-Segeln. Der Nordpazifik zeigt sich von seiner friedlichen Seite. Der Passat pendelt zwischen zehn und fünfzehn Knoten, die Meilen fliegen dahin. Ein unbeschreibliches Gefühl, wenn Wind, See und der Trimm der Segel optimal zusammenpassen. Wir üben uns darin, im Jetzt zu leben, den Moment wahrzunehmen, und die Vergangenheit und die Zukunft, das Erinnern und das Hoffen komplett auszublenden. Magische Tage, an denen wir eins sind mit dem Ozean.

Wie schnell Schönheit vergehen kann. Ab 37 Grad Nord schlüpfen wir unter eine düstere Wolkendecke, die Temperaturen fallen, der Wind wird wechselhaft in Richtung und Stärke, kommt meist von dort, wo wir hinwollen. Am-Wind-Segeln, Schräglage, unbequem. Ein Bein am Boden, das andere im Ausfallschritt gegen den Schwertkasten gestemmt, so halte ich zum Beispiel beim Geschirrspülen die Balance. Graue Segeltage, an denen man alles in Frage stellt und die sich in die Seele fressen. Die Geschwister Freud und Leid liegen auf diesem Seestück eng beieinander. Bei einem der unzähligen Reffmanöver reißt das Gurtband der zweiten Reffkausch. Jetzt können wir nur noch das erste oder das dritte Reff im Groß verwenden. Wir segeln zwar bei weitem nicht im Wettkampfmodus, aber wir treiben Nomad gerne zügig voran. Für unseren Geschmack fahren wir nun entweder mit zu viel oder zu wenig Großsegel.

Auf 47 Grad Nord erwischt uns das erste Tief, zum Glück kommt der Starkwind mit bis zu 36 Knoten aus SSW, also ein raumer Kurs. Vielleicht ist die Wiederbelebung mit den extremen Elementen der Grund für diesen Törn. Weil uns das Meer beibringt, dass man im Leben auch kämpfen muss. Das dritte Reff in der nassen Kälte einzubinden, kostet enorme Überwindung. Manchmal kommt mir diese Reise wie eine kleine Herausforderung an uns selbst vor. Als ob wir prüfen wollen, ob wir es immer noch draufhaben, ob wir uns nach der langen Zeit in warmen Gefilden draußen in den Roaring Fourties (brüllenden Vierzigern) und Screaming Fifites (schreienden Fünfzigern) noch behaupten können. 100 Seemeilen vor dem Ziel bringt das zweite Tiefe starken Gegenwind, wir bolzen uns fest, sind grantig, weil das zweite Reff im Groß fehlt. Letztendlich drehen wir bei und warten …

Irgendetwas hat sich verändert, eine Schwingung, ein Gefühl. Die ersten Sonnenstrahlen seit elf Tagen, spiegelglatte See und Land in Sicht! Heute werden wir ankommen. In Alaska. Auf der Insel Kodiak. 17 Tage am Nordpazifik liegen zwischen Aufbruch und Ankunft. Spürt sich lange an und auch nicht, auf jeden Fall berauschend. Gleichzeitig bin ich auch ein wenig wehmütig, ganz einfach, weil diese Fahrt schon wieder vorbei ist, weil jede Situation, jede einmalige Erfahrung und jedes markante Erlebnis früher oder später zu Ende geht. Aber so ist das nun mal in diesem unvollkommenen Leben.

 

Überfahrt von der Hanalei Bucht, Insel Kauai, Hawaii nach St. Paul Harbor, Insel Kodiak, Alaska: von 22°12´ Nord + 159°30` West nach 57°47´ Nord + 152°24` West, 28. Juni bis 15. Juli 2021.

Wir loggten 2.300 Seemeilen; 17 Tage und sechs Stunden salziges Ozeanleben!